Freizeit statt Gehalt: In 20 Jahren zählt die freie Zeit mehr als das Einkommen
Chart der Woche, 2023-KW44
2. November 2023
Ergebnis
Über zwei Drittel aller Bundesbürger gehen davon aus, dass in 20 Jahren mehr Freizeit für Arbeitnehmer wichtiger sein wird als ein hohes Gehalt. Vor 15 Jahren prognostizierte dieses nicht einmal jeder Zweite. Dabei lassen sich nur geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern, bei der Ortsgröße, dem Alter oder dem Bildungsgrad feststellen, wohl aber beim Einkommen. Während lediglich etwa zwei von fünf Geringverdienenden diese Entwicklung erwarten, können sich dieses dagegen mehr als drei Viertel der Besserverdienenden vorstellen.
Gründe
Die zunehmende Bedeutung von Freizeit gegenüber einem hohen Gehalt ist das Ergebnis mehrerer, sich überschneidender Faktoren. Einerseits hat die Bedeutung der Freizeit in der heutigen Gesellschaft stark zugenommen. Die Bürger suchen verstärkt nach einem erfüllteren und ausgewogeneren Leben, bei dem nicht nur materielle Werte, sondern auch persönliche Erfahrungen und Momente der Erholung im Vordergrund stehen. Das Streben nach einer höheren Lebensqualität überwiegt bei Vielen gegenüber einer reinen Lebensstandardsteigerung. Zudem lässt der moderne Arbeitsalltag – geprägt von Stress und hohen Anforderungen – den Wunsch nach einem Ausgleich steigen. Die Sehnsucht nach mehr selbstbestimmter Zeit, sei es für Entspannung, Freizeitaktivitäten oder einfach nur zur Muse, nimmt entsprechend zu. Eine Rolle spielt darüber hinaus die abnehmende Identifikation über den Job und die zunehmende Bestätigung durch Freizeitaktivitäten. Auch deutet der erwartete Verzicht auf ein höheres Gehalt für mehr Freizeit darauf hin, dass viele Arbeitnehmende ein ausreichendes Einkommen haben, das ihnen auch bei reduzierter Arbeitszeit ein angemessenes Leben ermöglicht. Letzteres erklärt auch die Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen.
Prognose
Trotz der gegenwärtigen Herausforderungen von Unternehmen könnte sich innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte die Arbeitswelt stärker verändern als derzeit gedacht. Dank einer zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung erscheinen Arbeitszeitverkürzungen nicht völlig unrealistisch.
Bei Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern, aber auch bei Jobinterviews wird es perspektivisch noch häufiger um eine freie Arbeitszeiteinteilung gehen und nicht mehr nur um höhere Löhne. Unternehmen werden entsprechend verstärkt auch flexiblere Arbeitsmodelle, längere Urlaubszeiten oder kürzere Arbeitswochen anbieten. Ein solcher Wandel könnte nicht nur die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer steigern, sondern auch zu einer gesteigerten Produktivität und Kreativität in der Arbeitswelt beitragen, da ausgeruhte und zufriedene Mitarbeitende oft effektiver arbeiten und innovativer sind.
Des weiteren könnte diese Entwicklung zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen, bei dem nicht mehr die individuelle Erfüllung und das Wohlstandsempfinden allein am Gehalt gemessen werden. Stattdessen könnten Faktoren wie Lebensqualität, persönliches Wachstum und Gemeinschaftssinn in den Vordergrund rücken.