Weihnachten den Müßiggang üben
Daß Müßiggang durchaus nicht aller Laster Anfang, sondern als Gegengewicht zum Arbeits-Alltag wohltuende Entspannung ist, bestätigen neue Forschungsergebnisse. Viele Völker beherrschen die Lebenskunst der Muße viel besser als wir. Das Gefühl, Zeit zu haben und diese freie, nicht verplante Zeit zu genießen, ist uns abhanden gekommen. Auch in das Nichtstun sollte man Rhythmus bringen, es mit Methode und großem Vergnügen betreiben, empfiehlt das BAT Freizeit-Forschungsinstitut.
Zu recht, denn bei unserer Lebenspraxis des dauernd Angestrengt- und Beschäftigtseins, brauchen wir nichts nötiger als bewusstes Abschalten. Doch leider sind Muße und Müßiggang in Mißkredit geraten. Wer müßig ist, gammelt, wird scheel angesehen und bekommt leicht ein schlechtes Gewissen. Ihm bleibt nicht anderes übrig, als sich zu beschäftigen. Doch das ist falsch.
Eine ideale Gelegenheit, den Müßiggang zu proben, bringen die Weihnachtstage. Zu keiner Zeit des Jahres haben wir den Müßiggang nötiger.
Fortgeschrittene Müßiggänger schaffen es schon, am Mittag des Heiligabends, nach den letzten Einkäufen, die Hektik draußen vor der Tür zu lassen.
Kaum etwas ist dem Fest abträglicher als aufgeregte Betriebsamkeit – ein Feind jeder Muße. Weihnachten ist auch ein Fest der Seele. Und diese freut sich auf Muße. Man darf auch ruhig etwas egoistisch dabei sein. Denn Muße übt man am besten für sich selbst. Und insgeheim möchte jeder gern mal seine eigene Muße genießen. Danach freut man sich wieder auf Familie und Gesellschaft.
Langeweile kann krankmachen
Nicht nur Stress in der Berufsarbeit, sondern auch Leere und Langeweile können uns aus dem Gleichgewicht bringen. Unzufriedenheit in der Freizeit führt nach Ansicht von Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, dem wissenschaftlichen Leiter des BAT Freizeit-Forschungsinstituts, zu persönlichen Konflikten und psychischen Problemen, die regelrecht krankmachen können.
So wird berichtet, daß es in den USA bereits spezialisierte Freizeit-Psychiater gibt. Schwere Fälle werden in „Langeweile-Kliniken“ eingewiesen, das Langeweile-Syndrom wird dort stationär behandelt.
Wie Freizeitforscher festgestellt haben, wird Langeweile als besonders bedrückend empfunden. Die Betroffenen entwickeln Unlustgefühle, innere Unruhe, Unzufriedenheit, schlechtes Gewissen, Lebensüberdruß. Sie versuchen, die Langeweile mit typischen Beschäftigungen zu verdrängen: ständig essen, unaufhörlich telefonieren, aufräumen und in Schränken herumstöbern, genervt durch die Wohnung laufen, aus dem Fenster starren, den Fernseher dauernd anstellen, plötzlich die Wohnung verlassen und einkaufen gehen.
Die um sich greifende Langeweile ist eine Erscheinung unseres Wohlstandes. Denn der ungebetene Begleiter aller erfüllten Wünsche heißt Langeweile. Hinzu kommt, daß unser Leben vom Arbeitsrhythmus geprägt ist. Freizeit gleicht dem Leerlauf eines auf Leistung getrimmten Motors.
Nach Prof. Opaschowski erfordert die Gefahr der schleichenden Zeitkrankheit Langeweile eine völlige Umstellung unserer Einstellung zur Arbeit und Freizeit. Gerät infolge des technischen Fortschritts die Arbeit als Schwerpunkt des Lebens immer mehr ins Wanken, muß eine neue Balance von Erwerbsarbeit und erfüllter Freizeit gefunden werden. Sie ist noch nicht in Sicht.
Sechs Regeln für die „Freizeit außer Haus“
Was Praktiker, Planer und Politiker von der Freizeitforschung lernen können
Warum werden die zahlreich vorhandenen Freizeitangebote kaum oder gar nicht genutzt? Diese Frage untersuchte das BAT Freizeit-Forschungsinstitut in einer psychologischen Grundlagenerhebung, die vom Frankfurter Contest-Census Institut durchgeführt wurde. Der wissenschaftliche Leiter des BAT- Instituts, Prof. Dr. Opaschowski, wertete die Ergebnisse aus und entwickelte daraus sechs nützliche Regeln, die all denen helfen können, die sich von Berufs wegen mit der Freizeit des Bundesbürgers beschäftigen.
1. Wohnungsnah planen
Die Freizeitmöglichkeiten außer Haus werden relativ wenig genutzt. Neben der eigenen Bequemlichkeit, der Angst vor Versagen und Blamage sind das Unbehagen und die Unsicherheit, die sich beim Verlassen des eigenen Wohnbereichs einstellt, ein wesentlicher Hemmfaktor.
Freizeitangebote außer Haus sollten daher den Kontakt zum Wohnbereich nicht abbrechen lassen, also wohnungsnah orientiert sein, somit eine problemlose Rückkehr in das eigene „Revier“ ermöglichen.
2. Gemeinsames Dach für alle schaffen
Es werden Freizeitangebote benötigt, die die Familie unter einem Dach versammeln, so daß man jederzeit miteinander Kontakt aufnehmen kann, gleichzeitig hat jeder einzelne die Möglichkeit, seine individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Art von „Freizeithäusern“ entspannt den Familienzwang, erhält das soziale Gefüge und vergrößert den persönlichen Freiraum.
3. Für Vertrauensoasen sorgen
Abenteuer, Ausbruch und Alternativprogramme bleiben weitgehend Freizeitträume. In Wirklichkeit haben nur solche Freizeitangebote eine breite Chance, bei denen man weiß, was einen erwartet. Unsicherheit und Hemmungen gegenüber etwas Neuem müssen durch ein durchschaubares, überzeugendes und glaubwürdiges Programm überwunden werden. Bekanntes ist mit Fremden zu mischen, Grenzüberschreitungen ins Unbekannte erfolgen stufenweise und auf alten Erfahrungen aufbauend. Dabei müssen jederzeit Rückzugs- und Sicherungsmöglichkeiten gegeben sein. Erst bei möglichst gering gehaltenen Fremdheits- und Risikogefühlen können Vertrauensoasen entstehen.
4. Neue Anregungen spielerisch vermitteln
Um neue Freizeitbedürfnisse zu befriedigen, müssen die Angebote eine spielerische Grundhaltung fördern, sowie neigungs- und anforderungsspezifisch individuell abgestimmt sein. Bewertungssysteme, Überforderung und persönliche Einengung sind zu vermeiden. Häufig werden Anregungen von außen gar nicht erprobt. Persönliches Phlegma und das viele Wenn und Aber ersticken die Spontaneität.
Das spielerische Vermitteln neuer Anregungen ohne festes Ort-Zeit-Personen-Konzept erleichtert die Veränderung fester Verhaltensmuster. Besonders die familiär weitgehend sanktionierten Freizeitmöglichkeiten verhelfen dem einzelnen zu mehr persönlichem Freiraum und unterstützen seine Experimentierbereitschaft.
5. Kontaktchancen erleichtern
Prototypisch für neu entstehende Kontaktformen sind lockere und spontane Gespräche, die sich eher zufällig ergeben. Interessant ist ihre atmosphärische Offenheit: Es bleiben die Wahlmöglichkeiten zwischen Intensivierung und Lösung, Intimität und Anonymität. Besonders reizvoll sind diese Kontakte, wenn sie etwas Überraschendes und Improvisiertes an sich halben und außerhalb der eigenen vier Wände stattfinden.
6. Alleinsein in der Gruppe ermöglichen
Das Zusammenleben in der Gruppe hat für den einzelnen existentielle Bedeutung. Es muß jedoch auch in der Gruppe das Alleinsein ermöglicht werden, denn nur so kann man die notwendige Selbsterfahrung durchmachen.
Treten bei dieser Auseinandersetzung mit dem eigenen „Ich“ Ängste auf, so springt hier die Gruppe als soziale Rückendeckung ein und befreit von den Zweifeln an der eigenen Wertigkeit. Sie hilft dem einzelnen, die Spannung zwischen Neugier und Angst dem eigenen „Ich“ gegenüber zu ertragen.