Urlaub, Urlaub über alles
Wertewandel führt zu Umschichtungen im Freizeitbudget
„In diesem Jahr wollen wir uns lieber eine größere Urlaubsreise leisten und den geplanten Autokauf zurückstellen – solange wir nicht wissen, wie es mit dem Katalysator weitergeht.“ So wie dieses Ehepaar in einem Hamburger Reisebüro denken viele: 56 Prozent der Bundesbürger planen in diesem Jahr eine „Urlaubskasse“ ein: 40 Prozent wollen genauso viel und 16 Prozent „eher mehr Geld ausgeben“ als im Vorjahr. Wie aus einer neuen Repräsentativbefragung des BAT Freizeit-Forschungsinstituts bei 2.000 Personen ab 14 Jahren im gesamten Bundesgebiet hervorgeht“ beabsichtigen vor allem die 20- bis 29-jährigen sowie die leitenden Angestellten und höheren Beamten (30 %) mehr Geld für die Urlaubsreise in diesem Jahr auszugeben.
Nach Ansicht der Hamburger Freizeitforscher wirft die Wirtschafts – und Einkommensentwicklung der letzten Jahre sichtbare Schatten auf den Urlaubsmarkt: Während sich 63 Prozent der Berufstätigen in diesem Jahr genauso viel oder sogar mehr Urlaubsausgaben leisten können und wollen, ist dies nur bei 42 Prozent der Nichtberufstätigen bzw. 20 Prozent der Arbeitslosen der Fall. Nicht nur in der Arbeit, auch in der Freizeit gehen die Arbeitbesitzer und die Arbeitslosen verschiedene Wege. Aus der BAT-Untersuchung geht hervor, daß jeder zweite Bundesbürger (49 %) über den Urlaub hinaus noch genauso viel oder mehr Geldausgaben für Kurzreisen und Wochenendausflüge einplant als im Vorjahr 1984.
Ein wichtiger Ausgabeposten im Freizeitbudget ist die Nutzung des Autos für Freizeitzwecke. Hier herrscht merkliche Zurückhaltung vor: Lediglich 7 Prozent wollen 1985 für private Autofahrten und 6 Prozent für die Anschaffung eines Autos mehr Geld ausgeben als im Vorjahr 1984. Die anhaltende Diskussion um die Einführung von Katalysatoren und bleifreiem Benzin hat sicher mit zur Konsumzurückhaltung beigetragen. Die Urlaubsreise hat dem Auto den Freizeitrang abgelaufen. Nicht wenige stellen einfach den Autokauf zurück und buchen die nächste Urlaubsreise.
Es ist unverkennbar: „Urlaub und Reisen sind ein Stück unverzichtbare Lebensqualität geworden“, so Prof. Dr . Horst W. Opaschowski, der Leiter des BAT Freizeit-Forschungsinstituts, „für die es praktisch keine Marktsättigung gibt – solange das Geld reicht. Wird das Geld aber knapp, kommt es zwangsläufig zu Umschichtungen im Freizeitbudget. Auf Lebensfreude ausgerichtete Erlebnisangebote (z.B. im Urlaub, bei Sport, Spiel oder Geselligkeit) werden tendenziell höher bewertet als die Neuanschaffung materieller Güter (z.B. Auto, Fernseher, Stereogerät). Vor dem Hintergrund von Wertewandel und gesättigten Märkten wird die Konsumgüterindustrie das Erlebnisumfeld ihrer Produkte überdenken und stärker berücksichtigen müssen. Das Auto beispielsweise wird in Zukunft mehr Freizeitmobil als Transportmittel sein.“