Junge Leute leben immer mehr über ihre Verhältnisse
Große Abhängigkeit von Freizeittrends
Die heutige Jugend definiert sich mehr denn je über den Freizeitkonsum. Doch der hohe Stellenwert kostspieliger Freizeitbeschäftigungen hat seinen Preis: Viele können sich den Konsumzwängen kaum mehr entziehen. Eine deutliche Mehrheit der 14- bis 29jährigen hat mittlerweile das Gefühl, daß sie „in der Freizeit zu viel Geld ausgeben“ (1986: 47 % – 1989: 53 % – 1993: 56 %).
Gleichzeitig klagen zunehmend mehr junge Leute darüber, daß sie in ihrer Freizeitgestaltung „mehr von Angeboten, die Geld kosten, abhängig“ sind, als ihnen lieb ist (1986: 43 % – 1989: 46 % – 1993: 54 %). Dies geht aus einer repräsentativen Trendanalyse des BAT Freizeit-Forschungsinstituts hervor, in der die Konsumgewohnheiten bei 2.000 Westdeutschen ab 14 Jahren im Zeitvergleich der Jahre 1986, 1989 und 1993 untersucht wurden.
„Die Konsum-Kids wollen gerne Konsumpioniere sein, stehen aber gleichzeitig am unteren Ende der Einkommensskala“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des BAT Instituts. Es plage sie zunehmend das schlechte Gewissen. „Der ersehnte Konsumgenuß wird zum Konsumstreß und vom Geldausgeben zum Verausgaben ist nur noch ein Schritt.“
„Born to shop“: Jeder fünfte Jugendliche im Kaufrausch
Ganz im Gegensatz zur Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die mit materieller Not zu leben gelernt hat, ist die heutige junge Generation in Westdeutschland weitgehend im Wohlstand aufgewachsen. Auch in Rezessionszeiten geht sie wie bisher ihren Konsumfreuden nach. „In“, „neu“ und „modisch“, mit dieser Formel lassen sich die Wünsche einer jungen Generation umschreiben, die sich immer mehr zu einer neuen Erlebnisgeneration entwickelt. Wissen, was „in“ ist, und im Trend sein ist mittlerweile für die überwiegende Mehrheit der jüngeren Generation zu einem Grundbedürfnis geworden (1986: 51 % – 1989: 61 % – 1993: 68 %). Über zwei Drittel leben im Hier und Jetzt – wollen, ja müssen immer dazugehören. So nimmt der Anteil der jungen Leute, die besonderen „Wert auf modische Freizeitkleidung“ legen, ständig zu (1986: 55 % – 1989: 65 % – 1993: 71 %). „Out-fit“ und „Klamotten“ sind und bleiben „das“ Statussymbol. Letztlich sind all die Dinge attraktiv, die „neu auf dem Markt“ sind (1986: 40 % – 1989: 42 % – 1993: 54 %).
Die junge Erlebnisgeneration scheint „born to shop“, zum Kaufen geboren zu sein. Shopping bedeutet immer zweierlei für sie: Lebenslust und Langeweileverhinderung. Einkaufszentren und Passagen sind nicht nur Walhallas des Erlebniskonsums für sie, sondern auch Fluchtburgen, um der Langeweile und Vereinsamung zu entfliehen. Hier regiert die Lust am Geldausgeben. Jeder fünfte Westdeutsche (22 %) im Alter von 14 bis 29 Jahren gibt mittlerweile offen zu: „Manchmal kaufe ich wie im Rausch“.
Kaufen wie im Rausch heißt für sie, erst dann Ruhe geben, wenn eine ganz bestimmte Sache gefunden und erworben wurde – unabhängig davon, ob sie sie eigentlich brauchen oder sich leisten können. Professor Opaschowski: „Mehr als andere Bevölkerungsgruppen stehen Jugendliche und junge Leute unter einem fast sozialen Druck des Konsumieren-Müssens. Der soziale Druck geht vornehmlich von der Freizeitclique aus: Wer dazugehören will, muß sich den Gleichaltrigen anpassen.“
Junge Leute wollen sich von der Erwachsenenwelt abheben und bedienen sich dabei der Konsumgüter, die die Erwachsenen für sie bereitgestellt haben. Der vermeintlich unkonventionelle Ausstieg aus der Erwachsenenwelt wird zum angepaßten Einstieg in die Konsumlandschaft. Durch entsprechenden Freizeitkonsum lässt sich Gruppenzugehörigkeit signalisieren und mitunter auch Individualität ausdrücken. Für viele Jugendliche wird es offensichtlich immer schwieriger, sich aus dem Kreislauf des Konsums zu befreien, weil ein Ausstieg schnell als Außenseitertum gebrandmarkt wird.