„Aufstand der Bereisten“ – Eine Zukunftsvision
Eine Zukunftsvision? Durchaus nicht. In einer Studie „Freizeit 2000“ (Veröffentlichung Mai 1980) greift der ADAC die These vom „Aufstand der Bereisten“ auf und belegt: Touristen könnten in Zukunft unerwünscht sein, oder gar ausgesperrt werden. Die Verkehrsdurchsagen in Urlaubsspitzenzeiten untermauern solche Thesen.
Ein irritierendes Bild, das indes nicht neu ist. Bereits im November 1979 sagte der wissenschaftliche Leiter des BAT Freizeit-Forschungsinstitut, Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, auf der Loccumer Touristentagung „Touristenunruhen“ voraus. Denn: „Als Folge der weltweiten OPEC-Epidemie steigt das Umweltbewußtsein. Es werden mehr OPEC-Urlauber zu Hause bleiben und nach alternativen Urlaubsformen suchen“, vermutet Opaschowski. Etwa eine Bürgerinitiative „Entdecke Deinen Nachbarn“, die neue Wege im Wohnumfeld erschließt. Die über mobile Animationsteams zum Tapetenwechsel von Haus zu Haus ermutige, zum Entdecken neuer Menschen in altvertrauter Umgebung.
Die Gefahr folgt auch hier auf dem Fuße. So warnt der Freizeitexperte davor, die an sich positive Entwicklung durch Institutionalisierung und Ausnutzung des OPEC-Urlaubs ins Gegenteil zu verkehren. Treibstoffvorräte, die immer weiter reduziert werden, Preise, die niemand mehr bezahlen kann, Flugtickets in unerschwinglichen Höhen – Entwicklungen, die durchaus realistisch sind – könnten die Reiseveranstalter veranlassen, wohnungsnahe Freizeitprogramme anzubieten. Dies aber würde Spontaneität und Protestcharakter des OPEC-Urlaubs zunichte machen. Schnitzeljagden für Kinder, Sternfahrten für Familien mit eigenem PKW, Oldtimer-Rallyes für Hobbyfans, Floßfahrten für Singles mit Kontaktwünschen, Theater- und Opernfahrten für alleinstehende Frauen oder Kegeltouren für Junggesellen werden dann von kommerziellen Institutionen angeboten. Die heimischen Vereine sterben an Mitgliederschwund, denn all die Improvisationen vor Ort kann man jetzt preisgünstig erwerben, zu gestaffelten Einzel- und Gruppentarifen, im Feierabend-, Wochenend- und Jahresabonnement und mit geballtem Know-how. Und wieder wäre ein Stück Eigeninitiative und Selbsterleben/Selbstfinden zunichte gemacht.
Daß solche Vorhersagen für die Zukunft tatsächlich nicht an den Haaren herbeigezogen sind oder visionären Charakter haben, belegt das Urlaubschaos auf den Straßen von Jahr zu Jahr neu. Und die Betonsilos an Urlaubsstränden, der ganze Länder überschwemmende Massentourismus. Oder die Benzinpreise, die unaufhaltsam klettern. Die ständige Furcht vor Ölboykott, vor Rationierung des Pro-Kopf-Benzinverbrauchs und steigenden Preisen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln als sekundäre Folge. Es wird Zeit, umzudenken.
„Animateure sind keine Pausenclowns!“ Animateur-Tagung in der Hamburger Fabrik
Wenn es so etwas wie einen hippokratischen Eid für Animateure gäbe, würde er so lauten: „Hand’le nie gegen die Interessen Deines Gegenübers. Sieh in jedem Menschen Deinen Partner. Gib zu erkennen, daß für Dich Ängste und Hemmungen menschlich sind. Nimm jeden Teilnehmer so, wie er ist. Fördere seine Stärken und fordere nicht, daß er seine Schwächen kaschieren muß. Hol‘ jeden Teilnehmer bei seinen Neigungen, Interessen und Fähigkeiten ab. Trau‘ ihm unbedingt Können, Wissen und eigene Entscheidungen zu. Hilf ihm, seine Bedürfnisse und Interessen zu erkennen und dazu, daß er sie später allein verwirklichen kann.“
In dieser „Maxime“ waren sich die rund 80 Animateure aus Deutschland, Österreich und Frankreich einig, die sich drei Tage lang vom 19. bis 21. Mai 1980 in der Hamburger FABRIK trafen und zusammen ihre Probleme und Erfahrungen austauschten.
Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, wissenschaftlicher Leiter des BAT Freizeit-Forschungsinstituts und Pädagogikprofessor an der Universität Hamburg, initiierte und leitete das Treffen. Er erklärte die Arbeit eines Animateurs als eine Mischung aus Pädagoge, Gemeinwesenarbeiter und Künstler. Er ist Ansprechpartner, Motivierungshelfer und Interessenberater zugleich. Jedenfalls nicht Pausenclown oder Entertainer. Seine Aufgabe sei es, Menschen zu ermutigen und zu helfen, mit anderen Kontakt zu bekommen für gemeinsame Aktionen in Freizeit und Beruf.
Veranstaltet wurde der Hamburger Workshop von der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, der Kulturpolitischen Gesellschaft und dem Studienkreis für Tourismus. Erstmals im deutschsprachigen Raum kamen hier Animateure aus den verschiedensten Praxisfeldern zusammen, um sich durch Darstellungen über ihr eigenes Tun der Fachdiskussion zu stellen, aber auch sich selber und die anderen Teilnehmer durch Praxisbeispiele zu animieren.
„Stadtteil-Animation in Altona“ – „Münchner Spielmobil" – "Animations-Theater" – „Kollektives Malen“ – „Animation im Urlaub“ – „ Animation in der Bildungsarbeit mit alten Menschen“ – „Circus Bambini, ein Mitspieltheater für Kinder“ waren einige Themen dieses „Marktplatzes“ für neue Animationsmethoden in Freizeitpädagogik und Kulturarbeit.
Der künftige Bedarf an Animateuren im Freizeit- und Touristik-, Bildungs- und Kulturbereich kann zahlenmäßig noch nicht bestimmt werden. Jedoch läßt sich eine steigende Nachfrage nach haupt- und nebenamtlichen Animateuren beobachten. Selbst die Zahl der freiwilligen Animateure steigt rapide an. So wie zum Beispiel in Dortmund, wo Rentner an der Altenakademie zu Animateuren ausgebildet werden, um als freiwillige Animationshelfer in der Freizeitarbeit mit Senioren tätig zu werden.
Kommentar: Autofrei – kein Spaß dabei!
Kommt Zeit, kommt Fahrrad – dachten die meisten Bundesbürger am autofreien Sonntag. Autofrei – willig wollten sie jedenfalls nicht auf ihr liebstes Freizeitvehikel, dem Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit, verzichten. In den Freizeitgewohnheiten bewährt automobil, im Umdenken betont immobil – dies ist die Quintessenz des ersten freiwilligen autofreien Sonntags.
Aus der Sicht der Freizeitforschung war das Ergebnis vorprogrammiert, jedenfalls keine Überraschung: Der freiwillige autofreie Sonntag war ein Sonntag wie jeder andere! Nicht das Auto war schuld, sondern die vorhandene Diskrepanz zwischen mobilem Freizeitverhalten und immobilem Freizeitdenken. Für Politik und öffentliches Bewusstsein sollte dies ein Signal sein, die Selbstbesinnung auf alternative Freizeitmöglichkeiten zielstrebiger und bewußter zu planen und fördern.
Mit Gewohnheit, Trägheit und Bequemlichkeit läßt sich offenbar in der Freizeit ganz gut leben, solange es jedenfalls nicht attraktivere Freizeitmöglichkeiten gibt, die ebensoviel Spaß und Freude machen. Ein ruhiges Freizeitgewissen ist noch keine Garantie für Verkehrsberuhigung.
Was wir in Zukunft brauchen, ist nicht nur ein mobiles Freizeitverhalten, sondern auch ein mobiles Freizeitdenken: Ein überdenken unseres Freizeitlebensstils, Offenheit für sozialen Wandel, Aufgeschlossenheit auch und gerade für notwendige Veränderungen liebgewordener im wahrsten Sinne des Wortes „eingefahrener“ Lebensgewohnheiten.
Mit der äußeren Alternative „Raus aus der Stadt“ oder „Rein in die City“ ist es allein nicht getan. An alten Freizeitgewohnheiten festhalten oder: Für neue Freizeitmöglichkeiten aufgeschlossen sein ist die innere Alternative. Dies hat etwas mit Flexibilität im Denken, Umstellungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft zu tun. In der Entwicklung eines lernoffenen und anregungsbereiten Freizeitbewußtseins stehen wir erst am Anfang.