BAT-Studie über „Neue Trends im Freizeitsport“ 

Forschung aktuell, 118

21. November 1994

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

BAT-Studie über „Neue Trends im Freizeitsport“

Westdeutsche verlieren Lust am Sport

Der westdeutschen Sportbewegung droht nach einer jetzt vom B·A·T Freizeit-Forschungsinstitut vorgelegten Studie ein doppelter Abwärtstrend. Der Anteil der aktiven Bundesbürger, die zumindest gelegentlich Sport treiben, ist im Vergleich zur zweiten Hälfte der 80er Jahre deutlich rückläufig (1987: 45% – 1994: 38%). Gleichzeitig geht auch bei der übrigen, nicht selbst aktiven Bevölkerung das Interesse an Sportveranstaltungen verloren. So sank der Anteil der interessierten Sportzuschauer in Westdeutschland von 31 Prozent im Jahr 1987 auf heute 26 Prozent. Und bereits ein gutes Drittel der Bevölkerung will vom Sport überhaupt nichts mehr wissen und auch keinen Sport betreiben (1987: 24% – 1994: 36%). Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativbefragung bei 2.000 Westdeutschen ab 14 Jahren im Zeitvergleich der Jahre 1987 und 1994 hervor.

Der Ausstieg nach der Devise "no sports" findet auf breiter Ebene statt und hat mittlerweile alle Bevölkerungs-, Alters- und Berufsgruppen erfaßt. "Mit dem Wertewandel in der Arbeitswelt ist offenbar auch ein Bedeutungswandel im Sport verbunden", so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des B·A·T Instituts. "Sport wird – subjektiv gesehen – weniger wichtig im Leben. Andere Freizeitbereiche wie Medien, Konsum, Kultur und Tourismus rücken in der persönlichen Wertehierarchie nach oben." Auch die sportbegeisterte Arbeiterschaft kann sich diesem Sog der schönen neuen Freizeitwelt nicht entziehen. Ein Trend "Weg von Kneipe, Sport und Garten" und "Hin zu Shopping, Freizeitpark und Essengehen" ist nachweisbar.

Große Unterschiede sind zwischen Männern und Frauen feststellbar. Jeder fünfte Mann (22%) hat kein Interesse am Sport, während der Anteil der Frauen, die dem Sport die kalte Schulter zeigen, mehr als doppelt so hoch ist (46%). Sport stellt offensichtlich nicht nur real, sondern auch mental nach wie vor eine Männerdomäne dar. Da man(n) ja nicht einfach mit Sportinteresse geboren wird, sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede wesentlich ein Ergebnis der Erziehung, aber auch eine Folge des Sportangebots, das Männerinteressen mehr berücksichtigt als Fraueninteressen.

Keine gravierenden Unterschiede zeigt ein deutsch-deutscher Sportvergleich, der erstmals mit der jetzt vorgelegten 94er Untersuchung des B·A·T Instituts ländern (35%) genauso groß wie in Westdeutschland (36%). Etwas niedriger fällt der Prozentsatz der Sporttreibenden aus (NBL: 35% – ABL: 38%), was wiederum durch die zwar nicht selbst aktiven, aber am Sport interessierten Zuschauer ausgeglichen wird (NBL: 30% – ABL: 26%).

Diese ost-westdeutsche Gemeinsamkeit setzt sich auch in der Rangliste der meistbetriebenen Sportarten fort. Hier stehen in den neuen wie auch den alten Bundesländern Radfahren, Schwimmen und Gymnastik vor Jogging und Fußball. Lediglich Schwimmen (NBL: 7% – ABL: 12%) und Tennis, das von 6 Prozent der westdeutschen, aber nur von 1 Prozent der ostdeutschen Sportler betrieben wird, weisen signifikante Unterschiede auf. Beides sicherlich mehr eine Folge fehlender Sportanlagen als unterschiedlicher Interessen.

Trends und Traumsportarten: Tennis, Golf und Fliegen

Traumsportarten machen vor Altersgrenzen nicht halt: Jugendliche träumen vom Golfspiel genauso wie die über 50jährigen. Und Segelfliegen übt auf 40jährige die gleiche Faszination aus wie auf 65jährige Ruheständler. Die Antworten auf die Frage nach den Traumsportarten erbringen dennoch einige überraschende Ergebnisse: Tennis ist und bleibt "die" Traumsportart für alle Altersgruppen. Sinkende Fernsehquoten und Zuschauerzahlen bei Tennisturnieren haben die Lust am Selbst-Tennisspielen offenbar nicht beeinträchtigt.

Tennis führt sowohl bei Frauen wie bei Männern mit jeweils 12 Prozent die 94er Rangliste der Traumsportarten mit großem Abstand an. Ein Ende des Tennisbooms scheint noch nicht in Sicht, da dreimal mehr Frauen und doppelt soviele Männer den Wunsch haben, Tennis zu spielen, als diese Sportart gegenwärtig ausüben – ein Wunsch, der sich im übrigen durch alle Altersgruppen zieht, in der mittleren Generation der 30- bis 40jährigen jedoch besonders ausgeprägt ist. Auch im Vergleich zu 1987, als das B·A·T Institut in Westdeutschland ebenfalls nach den Traumsportarten fragte, ist kein Rückgang des Anteils potentieller Tennisspieler festzustellen.

Die weiteren Sportwünsche der Frauen konzentrieren sich auf Reiten, Schwimmen, Skilaufen, Golf und Segeln. Bei den Männern waren Fußball, Golf, Autorennen, Segeln sowie Segelfliegen die häufigsten Nennungen. Für die meisten und in der Regel kostenintensiveren Traumsportarten ist im Vergleich zu 1987 allerdings ein deutlicher Rückgang des Interesses feststellbar. So halbierte sich zum Beispiel der Anteil der Nennungen bei Reiten, Skifahren oder Segeln. Lediglich das Interesse an Golf blieb stabil. Rund eine Million Frauen sowie 1,8 Millionen Männer würden nach wie vor gerne zum Schläger greifen

Bei der jungen Generation finden Fallschirmspringen, Drachen- und Segelfliegen oder Tauchen ein überdurchschnittlich großes Interesse. Für die erlebnishungrige Generation der 14- bis 29jährigen gewähren diese Sportarten eine besondere Mischung aus Nervenkitzel und Selbstbestätigung. Bemerkenswert ist auch, daß die 40- bis 49jährigen ein besonderes Interesse an Autorennen zeigen. Sie wollen es noch einmal wissen: Zwischen "midlife-crisis" und "nachelterlicher Lebensphase" (die Kinder gehen aus dem Haus) hin- und hergerissen suchen sie das Grenzerlebnis, bei dem sie das Risiko kalkulieren und das Steuer selbst in der Hand behalten können.

Sportveranstaltungen: Unterhaltungswert wichtiger als Vereinsinteresse

Sportveranstaltungen heute – das ist immer mehr eine Mischung aus Show, Sponsoren und Spektakel. Der Zuschauersport entwickelt sich zum Sportkonsum, der den Fan zum Konsumenten macht. Der Konsument konsumiert kommerzialisierte Unterhaltung, gebraucht und verbraucht sie – wie der Hopper im Fernsehen und der Shopper im Einkaufszentrum. "Lokalpatriotismus" oder "Nationalstolz" spielen hierbei fast keine Rolle (6%). Die Fan-Schar setzt sich fast ausschließlich aus Jugendlichen zusammen. Jeder zweite 14- bis 19jährige (49%) besucht Sportveranstaltungen aus Interesse am Verein. Persönlich wichtiger ist es für viele Zuschauer, einfach unter Menschen zu sein. Die Zuschauer könnten ihre Bedürfnisse genausogut im Kino, auf dem Volks-fest, im Shopping-Center oder beim Open-Air-Konzert befriedigen.

Die meisten Frauen gehen nie zu Sportveranstaltungen (56% – Männer: 33%). Mehr Frauen wären nur dann als Zuschauer zu gewinnen, wenn der Sport weniger ernst genommen und der Besuch mehr Spaß machen würde. Spaß und Unterhaltung stellen das wichtigste Besuchermotiv für Frauen dar. Jede fünfte Frau hebt besonders den Geselligkeitsaspekt hervor. Und für Frauen können Zuschauer manchmal interessanter als Sportstars sein. Die Begeisterung der Zuschauer hautnah miterleben oder unter Gleichgesinnten sein – das Ambiente kann mitunter mehr Anziehungskraft ausüben als die sportliche Leistung.

Wenn Männer Sportveranstaltungen besuchen, dann sind sie durchweg hochmotiviert und stellen auch mehr Ansprüche an den Besuch. Sie identifizieren sich vor allem mehr mit dem Sportprogramm. Ihr spezielles Interesse am Verein ist doppelt so hoch (36%) wie bei den weiblichen Besuchern (18%) und ihre Erwartungen an Spannung und Nervenkitzel fast dreimal so hoch (26% – Frauen: 9%).

Die Freizeitkonkurrenten des Sports

Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend zeichnen sich schon heute Züge eines Erlebniszeitalters ab, in dessen Gefolge der Sport weitgehend unerwartet mit Konkurrenten außerhalb des eigenen Lagers zu kämpfen hat – mit der Kino-, Shopping- und Kneipenkultur, mit tropischen Badelandschaften vor der Haustür und paradiesischen Traumstränden in erreichbarer Ferne. Das "Angebotssystem Sport" sieht sich zunehmend mit dem Problem einer Quadratur des Kreises konfrontiert: Denn Freizeitsportler sind zugleich Städtebummler und Kaufhauskunden, Kinobesucher und Kneipengänger, Autofahrer und Urlaubsreisende. Und alle sind auf der Suche nach neuen Freizeit-Erlebnissen. Wird Deutschland in Zukunft kein Sportland mehr sein, weil die meisten Bundesbürger dann die Kulturszene, die Konsumtempel oder den kollektiven Freizeitpark interessanter finden?

Hinweis

Das Skript "Neue Trends im Freizeitsport" ist gegen eine Schutzgebühr von DM 24,- beim BAT Freizeit-Forschungsinstitut, Alsterufer 4, 20354 Hamburg, ab sofort zu beziehen. Journalisten und Redaktionen stellen wir auf Wunsch ein Besprechungsexemplar zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
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