Freizeitmobilität: Die Lust am Autofahren 

Forschung aktuell, 135

11. Juni 1997

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

Freizeitmobilität: Die Lust am Autofahren

Bahn und öffentlicher Nahverkehr immer weniger gefragt

Illusionslose Aussichten für die Zukunft: Die automobile Freizeitlawine auf Deutschlands Straßen rollt unaufhörlich und fast grenzenlos weiter. Die wachsende Freizeitmobilität der Bundesbürger nach Feierabend und am Wochenende stellt alle Verkehrsprognosen infrage. Zwei Drittel der Tagesausflügler und Kurzurlauber sind regelmäßig mit dem Auto unterwegs. Tendenz steigend. Das Auto dominiert bei den Tagesausflüglern (1994: 63% – 1997: 67%) und ist auch bei den Kurzurlaubern konkurrenzlos (1994: 59% – 1997: 64%).Dies geht aus einer repräsentativen Vergleichserhebung des Freizeit-Forschungsinstituts der British American Tobacco hervor, in der 3.000 Bundesbürger ab 14 Jahren 1994 und 1997 nach ihrem Mobilitätsverhalten befragt wurden.

Was bisher in der Sichtweise der Verkehrspolitik als "unnützes Hin- und Herfahren" galt, empfinden die Autofahrer immer mehr als grenzenloses Freizeitvergnügen. "Die beiden Hauptziele einer klimaverträglichen Verkehrspolitik, nämlich die Verkehrsvermeidung und die Verlagerung des Verkehrs auf emissionsärmere Verkehrsträger, sind in weite Ferne gerückt", so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des Freizeit-Forschungsinstituts. "Im Freizeitverkehr spielt der Öffentliche Personennahverkehr fast keine Rolle. Und auch die Bahn verliert an Attraktivität." Nur jeder zwanzigste Bundesbürger nimmt bei seinen Tagesausflügen den ÖPNV (1994: 5% – 1997: 4%) oder die Bahn (1994: 5% – 1997: 4%) in Anspruch. Bei Kurzreisen zeichnet sich die gleiche Entwicklung ab. Die Bahn kann nicht am Trend zu Kurzreisen partizipieren (1994: 12% – 1997: 9%), während sich der Bus als Verkehrsmittel bei Kurzreisen (1994: 16% – 1997: 15%) knapp behauptet.

Das verkehrsintensive Freizeitverhalten der Bundesbürger kommt nicht überraschend. Mobilität heißt seit Jahren immer mehr Freizeitmobilität. Auf einen Kilometer Arbeitsweg kommen heute schon zwei Kilometer Wegstrecke für Freizeitfahrten. Und auch in Zukunft sind beim Freizeitverkehr (einschließlich Ferienverkehr) die meisten Zuwächse zu erwarten. "Mit dem Freizeitverkehr rückt in unserer Gesellschaft, die immer schon rastlos war, zusätzlich das Element der Erlebnisorientierung in den Vordergrund", so Professor Opaschowski. "Die Zeit ist heute subjektiv so wertvoll geworden, daß sie einfach genutzt werden muß – um möglichst viel zu erleben und möglichst wenig zu verpassen." Freizeitmobilität entwickelt sich zur Erlebnismobilität zwischen Rastlosigkeit und Erlebnishunger.

Rastlos in der Freizeit: Die automobile Gesellschaft

Als Folge dieser Entwicklung zeichnet sich für die Zukunft ab: Die freizeitmobile Gesellschaft wird immer mehr eine automobile Gesellschaft sein. Denn das Auto ist nicht nur ein Ausdruck von Freiheit und Flexibilität. Es hat auch einen außerordentlich hohen emotionalen Erlebniswert. Für die meisten Bundesbürger ist das Autofahren selbst schon ein Freizeiterlebnis, während öffentliche Verkehrsmittel die Menschen mehr zur Freizeit "transportieren". In der Sichtweise der Autofahrer stellen sich die Vorteile der öffentlichen Verkehrsmittel meist nur als Schwachstellen des Autos dar. Bisher leben öffentliche Verkehrsmittel fast nur von den Defiziten des Autos (z.B. Staus, Umweltprobleme, Parkplatzsuche).

Weil es ein flächendeckendes Mobilitätskonzept für die Freizeitbedürfnisse der Bürger bisher noch nicht gibt, sind bei den Tagesausflügen insbesondere Landbewohner (71%) auf das eigene Auto angewiesen (Groß-städter: 59%). Auch Familien mit Kindern können sich bisher den "Luxus" einer Bahn- und ÖPNV-Fahrt offensichtlich nicht leisten. Für drei Viertel aller Familien mit Kindern (75%) bzw. aller Vier-Personen-Haushalte (74%) ist daher das Auto in erster Linie ein Freizeitmobil, während Ein-Personen-Haushalte in ihrer Freizeit weniger auf ein Auto angewiesen sind (46%).

Flexibel, bequem, preiswert? Ein freizeitorientiertes Mobilitätskonzept ist noch nicht in Sicht

Ein Großteil des Öffentlichen Personennahverkehrs ist traditionell auf die Bedürfnisse von Berufstätigen in einer Arbeits- und Industriegesellschaft ausgerichtet. Infolgedessen gehören viele attraktive Freizeitziele zu den unterentwickelten Zielgebieten des ÖPNV. Sie beginnen nicht selten da, wo der Öffentliche Nahverkehr aufhört. Opaschowski: "Deshalb müßte erst einmal ein freizeitorientiertes Mobilitätskonzept entwickelt werden, das flexibel auf spontane, insbesondere wetterabhängige Mobilitätsgewohnheiten reagiert, wie z.B. Bedarfsbusse und Shuttle-Systeme, also Taktfahrpläne mit kurzen Intervallen." Weil jedoch solch attraktive Alternativen zur Freizeitmobilität mit dem Auto noch nicht in Sicht sind, werden die meisten Bürger auch in den nächsten Jahren – eher mehr als weniger – mit dem Auto unterwegs sein.

Eine ausführliche Analyse zum Thema Freizeitmobilität enthält die 1995 veröffentlichte Grundlagenstudie "Freizeit und Mobilität. Analyse einer Massenbewegung". Die 95er Studie ist für Interessenten gegen eine Schutzgebühr von DM 39,- beim Freizeit-Forschungsinstitut der British-American Tobacco (Germany) GmbH, Alsterufer 4, 20354 Hamburg, Fax: 040 – 41513231, zu beziehen.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

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