Wissenselite spaltet Informationsgesellschaft 

Forschung aktuell, 146

17. März 1999

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

Wissenselite spaltet Informationsgesellschaft

Bleiben Hauptschüler bei der Nutzung neuer Medien auf der Strecke?

Im Übergang zum 21. Jahrhundert droht eine neue Ungleichheit die künftige Informationsgesellschaft zu spalten. Vor allem Hauptschulabsolventen drohen hinsichtlich der Nutzung neuer Medien auf der Strecke zu bleiben. Nur 6 Prozent von ihnen nutzen regelmäßig zu Hause einen PC für private Zwecke. Fast fünfmal so hoch ist hingegen der Anteil der PC-Nutzer mit höherer Schulbildung (28%). Und lediglich 2 Prozent der PC-Nutzer mit Hauptschulabschluß surfen im Internet, während der Anteil der universitären Wissenselite hier fast zehnmal höher liegt (19%). Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativerhebung des Freizeit-Forschungsinstituts der British American Tobacco hervor, in der 3.000 Bundesbürger ab 14 Jahren im Februar 1999 nach ihren Mediengewohnheiten befragt wurden.

Im Zeitvergleich ist feststellbar, daß sich der Anteil der Internet-User bei den Bevölkerungsgruppen mit Haupt- oder Volksschulabschluß in den letzten Jahren kaum nennenswert verändert hat (1997: 0% – 1998: 1% – 1999: 2%), während die Universitätsabsolventen immer mehr den Cyberspace bevölkern (1997: 9% – 1998: 13% – 1999: 19%). "Eine neue Zwei-Klassen-Gesellschaft von Medien-Analphabeten und Angehörigen einer Wissenselite zeichnet sich ab", so Institutsleiter Prof. Dr. Horst W. Opaschowski. "Bevölkerungsgruppen mit niedrigerer formaler Bildung bleiben vom Aufbruch in das Multimedia-Zeitalter weitgehend ausgeschlossen oder werden gar abgekoppelt. Die neuen Chancen der Informationsgesellschaft nutzen fast nur die Höhergebildeten."

Wenn es nicht bald gelingt, wirklich alle allgemeinbildenden Schulen "ans Netz" anzuschließen, um die Schüler für das Medienzeitalter kompetent zu machen, wird sich die Informationsgesellschaft in Deutschland in "User" und "Loser", in Anwender und Verlierer spalten. Nur die höheren Bildungsschichten können sich derzeit aus eigener Kraft für das 21. Jahrhundert fit machen. Alle übrigen drohen in ihrer Medienkompetenz stehenzubleiben. Via TV und Video konsumieren sie nur noch das, was leicht und locker bedien- und handhabbar, interessant und unterhaltsam ist. Professor Opaschowski: "Eine Art Kaspar-Hauser-Syndrom stellt sich ein. Während die Medienbranche die technologischen Anforderungen an die Nutzer ständig steigert, drohen viele Konsumenten in ihrer Entwicklung stehenzubleiben." Am Ende resignieren sie oder verweigern sich. So hinken die Fähigkeiten der Konsumenten den Möglichkeiten der technologischen Entwicklung deutlich hinterher.

Zwei Auswege aus diesem Dilemma bieten sich an: Die Entwicklung neuer technischer Systeme fördern, deren Handhabung so einfach ist, daß sie jeder nutzen kann. Und: Mehr in neue Lernprogramme investieren, die den kompetenten Mediennutzer zum Ziel haben.

"e-m@il für Dich".
Junge Generation entdeckt neues Kommunikationsmedium

Meg Ryan und Tom Hanks lassen die Herzen der jungen Generation höher schlagen: Das erste Date und neue Kontakte sind nur einen Mausklick weit entfernt: Die elektronische Post (e-mail) wird zur Kommunikationsbörse. Sie ersetzt das traditionelle Briefeschreiben und ermöglicht das Kennenlernen von Gleichgesinnten. Wunsch und Wirklichkeit klaffen allerdings noch weit auseinander. Nur 10 Prozent der 14- bis 29jährigen erhalten öfter elektronische Post, 51 Prozent aber warten sehnsüchtig darauf. "Ein Mega-Markt kündigt sich hier für die Zukunft an", so Professor Opaschowski. "Auf einen jugendlichen E-Mail-Nutzer kommen fünf Interessenten." In der Altersgruppe der 14- bis 17jährigen sind sogar fast zwei Drittel (62%) daran interessiert. Ein Jahr zuvor waren es nur 47 Prozent gewesen.

Das Wandeln in Mailboxen kann sich zu einem neuen Jugend-Kult mit außergewöhnlichen Wachstumsraten entwickeln. E-Mail ist ein Medium, das Individualisierung ermöglicht, aber auch Anonymität nicht ausschließt. Hier können Jugendliche neue Beziehungsnetze aufbauen, ohne sich dauerhaft binden zu müssen. "E-Mail-Kontakte gleichen mehr einer temporären Allianz, die Bindungen auf Dauer ersetzt", so Professor Opaschowski. "Der PC wird zum virtuellen Kontakthof, in dem auch Schüchterne ohne Blickkontakt miteinander plaudern bzw. ‚chatten‘ können, ohne ihr Gesicht zu verlieren."

Unter den regelmäßigen Nutzern von elektronischen Briefen sind die männlichen Kontaktpartner bisher deutlich überrepräsentiert: Auf eine Mailerin (4%) kommen zwei männliche Mailer (8%). Die Erklärung ist leicht gefunden: Kurz vor der Jahrtausendwende besitzen 52 Prozent der männlichen Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahren einen "eigenen" Computer, dagegen nur 38 Prozent der weiblichen Jugendlichen. Bis zur Akzeptanz des PC als Massenmedium – wie Handy und TV auch – ist noch ein weiter Weg, damit es in Zukunft nicht mehr nur heißt: "e-m@ill für Dich", sondern auch: "e-m@il für mich."

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

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