Altersträume: Illusion und Wirklichkeit 

Forschung aktuell, 200

19. September 2007

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Altersträume: Illusion und Wirklichkeit

Ende des Jugendwahns.
Die „Mitte des Lebens“ ist das neue Lebensideal der Deutschen

Erstmals in der Geschichte zeichnet sich eine Verschiebung des idealen Lebensalters ab. Das mittlere Lebensalter vom 25. bis zum 49. Lebensjahr löst die Jugendzeit zusehends ab. Jeder vierte Bundesbürger (26%) denkt bei der „schönsten Lebensphase“ an das Erwachsenenalter. Aber nur 9 Prozent an die Jugendzeit. Innerhalb von nur zehn Jahren – im Zeitraum von 1997 bis 2007 –verlieren Kindheit und Jugendzeit an Attraktivität (jeweils -4 Prozentpunkte). Aber auch die junge Erwachsenenzeit büßt erstmals an Popularität ein (-1 Prozentpunkt). Dies geht aus den Ergebnissen einer umfangreichen Zukunftsstudie zur Lebenssituation der älteren Generation hervor, die die BAT STIFTUNG FÜR ZUKUNFTSFRAGEN gemeinsam mit ihrem Kooperationspartner Deutscher Ring heute der Öffentlichkeit präsentierte. Hierfür wurden bundesweit 2.000 Personen ab 14 Jahren repräsentativ befragt.

Die Macht der „Neuen Alten“:
Generation 50Plus prägt die Zukunft der Gesellschaft

Mit der älter werdenden Gesellschaft nimmt auch die Macht der Älteren als Konsumenten zu. Wer in Zukunft an dem Milliarden-Markt der „Neuen Senioren“ partizipieren will, muss sich ihren Bedürfnissen anpassen und eine doppelte Dienstleistung erbringen: Den erworbenen Lebensstandard sichern (z.B. durch Spareinlagen, Versicherungen, Aktien oder Immobilien) und zugleich die ganz persönliche Lebensqualität verbessern helfen (z.B. durch Kulturangebote, Gesundheitsdienste und Reiseservice). Nicht mit 15, 25 oder 35 Jahren, sondern mit über 50 Jahren sind die Konsumausgaben am höchsten. „Nicht Glanz und Glamour, sondern Atmosphäre und Ambiente, Service und Lebensqualität stehen im Zentrum ihrer Konsuminteressen. Was Fitness, Sun und Fun für die Jüngeren sind, stellen Sinn, Vitalität und Lebensfreude für die Älteren dar. Der Sinnfaktor ist für die Älteren genauso wichtig wie der Spaßfaktor für die Jüngeren“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, Wissenschaftlicher Leiter der BAT Stiftung. Wenn sich in den nächsten Jahrzehnten die Zahl der über 50-Jährigen in Deutschland verdoppelt, dann kann es auch zu einer Verdoppelung dieses Zukunftsmarktes kommen.
Wer heute auf die drei Generationen 50plus, 65plus und 80plus setzt, besetzt und besitzt die Wachstumsfelder der Zukunft. Ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel steht unmittelbar bevor: Jugend wird Vergangenheit und Älterwerden eine Zukunftsinvestition! Über die Jugendlichen von heute wissen wir fast alles, über die Neuen Senioren von morgen fast nichts. Sinkende Geburtenquoten und steigende Lebenserwartung zwingen jedoch zum Umdenken. Wir müssen Abschied nehmen vom Zeitalter der Jugendkultur und uns mehr öffnen für die Welt der „Neuen Senioren“, die Familienmenschen (55%) und Naturliebhaber (47%), Kontaktmenschen (37%) und Theaterbesucher (13%), Genussmenschen (14%) und Hobbymenschen (13%), Kirchgänger (9%) und Vereinsmitglieder (10%) zugleich sind.

Vorbereitung auf den Ruhestand
Mit der Zwar-Strategie: „Zwischen Arbeit und Ruhestand“ frühzeitig Brücken bauen

Prof. Dr. Horst W. Opaschowski und Dr. Ulrich Reinhardt, die beiden Autoren der Zukunftsstudie, die unter dem Titel „Altersträume. Illusion und Wirklichkeit“ im Buchhandel erscheint, weisen nach: Die Mehrheit der Arbeitnehmer wird auch in Zukunft vorzeitig ihre Arbeit aufgeben wollen oder müssen. Den Beruf für das Leben wird es genauso selten geben wie die Berufsbiographie von der Ausbildung bis zum Ruhestand. Die individuelle Sinnfrage verschärft sich, denn auf ein Leben ohne Arbeit sind die meisten Menschen nicht vorbereitet. Opaschowski: „Die Vorverlegung des Ruhestands ohne Zielsetzung und ohne Aufgabenstellung löst Ängste aus. Damit verbunden ist das Eingeständnis, dieser neuen Herausforderung des Lebens nicht angemessen begegnen zu können. Denn: Man kann nicht plötzlich ein anderer Mensch sein.”
Mit steigendem Alter wächst jedoch die Zuversicht. Lediglich jeder fünfte Ruheständler (21%) gibt an, generell nichts tun zu können, um den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand zu erleichtern. Dagegen sind zwei Drittel (66%) voller Hoffnungen. Der Ruhestand selbst sollte dann aber möglichst aktiv gestaltet werden. Der Rat der älteren Generation an die Berufstätigen lautet deshalb, sich „immer beschäftigt zu halten“ und bloß „nicht rumzuhängen” (60%) und sich frühzeitig Hobbys zuzulegen (48%). So lassen sich aufkommende Fragen, Zweifel und Probleme wenigstens zeitweise verdrängen – als Beschäftigungstherapie und Ablenkungsmanöver. Jeder zweite Berufstätige sieht dies auch als Chance. Hilfreich erscheint vor allem der Bezug zur Arbeit. In den letzten Jahren vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben soll man, so lautet die Empfehlung, die eigene Arbeitszeit freiwillig verkürzen und Jahr um Jahr weniger zu arbeiten versuchen, sich sozusagen „aus der Arbeit wegschleichen“. Der flexible bzw. gleitende Übergang in den Ruhestand wird zudem leichter fallen, wenn zeitgleich nach Nebenbeschäftigungen und ehrenamtlichen Aufgaben Ausschau gehalten wird (24%).

Zukunftsvorsorge im 21. Jahrhundert
Mehrere Standbeine schaffen

Die beständigste und nachhaltigste Alterssicherung ist zweifellos die Lebensqualitätssicherung. Zu einem glücklichen Leben gehören in erster Linie die eigene Gesundheit (98%), Freundschaften (91%), Familie/Kinder (87%) –nachgeordnet folgen Freizeit (79%), Kultur und Bildung (72%). Dies sind die Antworten der Bevölkerung auf die Frage, was im Leben wirklich wichtig ist. Das ganz persönliche „Haus der Zukunftsvorsorge“ soll auf vier tragenden Säulen aufgebaut sein. Dazu zählen: die eigene Gesundheit, die sozialen Bezüge, die finanzielle Absicherung und die mentale Vorsorge.
1. Standbein: Materielle Vorsorge
Die finanzielle Zukunftsvorsorge ist die am häufigsten diskutierte. An die gesetzliche Rente glaubt mittlerweile nur noch eine Minderheit der Deutschen. Aktuell vertrauen lediglich 13 Prozent der Deutschen darauf, dass die Rente in Zukunft sicher ist. Vor allem die mittlere Generation im Alter von 35 bis 54 Jahren sieht pessimistisch (oder vielleicht auch realistisch) in die Zukunft. Sie scheint die Hoffnung aufgegeben zu haben, eine Versorgung im Alter allein durch die gesetzliche Rente realisieren zu können – lediglich jeder Fünfzehnte in dieser Altersgruppe glaubt noch an die staatliche Rente (7%). Insofern kann diese in Zukunft allenfalls eine Basissicherung im Sinne von Existenzsicherung sein.
Nur eine private Zusatzversorgung garantiert eine weitgehende Beibehaltung des bisherigen konsumintensiven Lebensstils im Umfeld von Hobby, Sport, Urlaubsreise und Erlebniskonsum. Die Bürger haben dies erkannt und sorgen privat für das Alter vor. Fast drei Viertel aller Bundesbürger (73%) haben materiell für das Alter vorgesorgt – die Westdeutschen (79%) deutlich mehr als die Ostdeutschen (59%). Die Art der Maßnahmen ist dabei vielseitig und variantenreich:

  • Etwa jeder dritte Bundesbürger (32%) sorgt konkret für das Alter durch private Lebens- bzw. Rentenversicherungen vor. Dies gilt vor allem für die mittlere Generation (34 bis 54 Jahre), für die diese Art der Vorsorge die bedeutendste ist (44%).
  • Für fast jeden fünften Deutschen (18%) sind Betriebsrenten ein Mittel zur Vorsorge. Besonders bei Angestellten (23%) ist diese Absicherung beliebt.
  • Jeder Dritte (35%) sorgt durch Ersparnisse für das Alter vor, 13 Prozent durch Bausparverträge. Als eifrigste Sparer erweisen sich die 50- bis 64-Jährigen (46%) und die Ruheständler (43%) – beide mit steigenden Tendenzen. Ihre Spargewohnheiten sind deutlich stärker ausgeprägt als beispielsweise bei der jungen Generation im Alter bis zu 34 Jahren (17%). Statt Sparbuch heißt es bei den Jüngeren eher Bausparvertrag (15% – 55plus-Generation: 8%).
  • Der Börsenboom und historische Höchststände des DAX haben sich nicht entscheidend auf den Vorsorgesektor auswirken können. Aktien, Fonds und festverzinsliche Wertpapiere sind nur für etwa jeden zwölften Deutschen attraktiv (8%). Am meisten machen die Höhergebildeten mit Gymnasialabschluss (19%) und die Bezieher von Haushaltsnettoeinkommen von über 2.500 Euro (16%) davon Gebrauch, am wenigsten die Singles im Alter von 25-49 Jahren (2%).
  • Die eigenen vier Wände nehmen an Bedeutung zu. Fast jeder vierte Bundesbürger sorgt durch Immobilienkauf (Haus, Eigentumswohnung) für das Alter vor. Dies trifft insbesondere für die Jungsenioren im Alter von 50 bis 64 Jahren (32%) zu.

2. Standbein: Physische Vorsorge
Im Gesundheitswesen steht Deutschland ein radikaler Strukturwechsel bevor. Der politische Appell an die Bürger, in Zukunft mehr Eigenverantwortung zu tragen, ist lediglich eine positive Umschreibung für die Notwendigkeit, mehr eigene Leistungen zu übernehmen. Die Bevölkerung hat dies erkannt und ist bereit, mehr für die eigene Gesundheit zu tun (40%). Auch Sport ist für jeden dritten Deutschen (31%) eine Möglichkeit, sich physisch fit zu halten.
3. Standbein: Soziale Vorsorge
Bei der sozialen Vorsorge sehen zwei von fünf Deutschen (40%) die Erhaltung familiärer Bindungen als eine geradezu lebensnotwendige Vorsorgemaßnahme für das Alter an – und handeln auch danach. Die Frauen legen etwas mehr Wert darauf (42%) als die Männer (37%), die Landbewohner mehr (43%) als die Großstädter (32%) und Paare (47%) deutlich mehr als Singles (20%). Am meisten Wert auf familiäre Bindungen legen jedoch die Ruheständler (49%). Für sie ist die Familie die tragende Säule im Alter.
Zur Familie gesellt sich als zweite wichtige Zukunftsinvestition für das Alter die Pflege des Freundeskreises. Freundeskreis und Familie werden sowohl von der Gesamtbevölkerung als auch von den Ruheständlern fast gleich hoch bewertet. Neben den Ruheständlern hat die Pflege des Freundeskreises hauptsächlich für die Best Ager (50 bis 64-Jährige) eine hohe Bedeutung (48%). Weniger bedeutend ist der Freundeskreis überraschenderweise für Singles (25%). Dr. Reinhardt: „Fast alle Bundesbürger pflegen systematisch den Kontakt mit Freunden – nicht nur aus Freude am geselligen Leben, sondern auch und gerade mit dem Gedanken, dadurch etwas Dauerhaftes für das ganze Leben zu schaffen, was sich im Alter vielleicht sogar „auszahlt“ bzw. „rechnet“. Bei aller Freundschaft spielen rationale Erwägungen eine nicht unbedeutende Rolle: Der Freundeskreis kann Basis für eine soziale Lebensqualität im Alter sein.“
4. Standbein: Mentale Vorsorge
Man muss sich im Alter aber auch selbst helfen und beschäftigen können. Für jeden sechsten Bürger (17%) sind daher Do-it-yourself und für jeden Dritten (32%) das eigene Hobby mentale Vorsorgemöglichkeiten. Besonders Männer wollen sich im Ruhestand den eigenen Hobbys widmen. Männliche Domänen sind auch der Verein und der Stammtisch. Geselligkeit und Austausch gehen einher mit Spaß und Zeitvertreib. So gesehen haben die Vereine eine neue Zukunft vor sich. Sie garantieren soziale Geborgenheit in bzw. mit der Gruppe und sind als „Angebot für alle“ auch für alle finanzierbar.

Altersträume der 50Plus-Generation:
Mehr Lebensfreude als Kauflust

Die Träume und Wunschvorstellungen der Generation 50plus für die Zukunft konzentrieren sich auf mehr Freude am Leben. Dabei geht es im wahrsten Sinne des Wortes um das Wohlfühlen in der eigenen Haut und in den eigenen vier Wänden. Daher lauten die drei wichtigsten Wünsche der 50plus-Generation an die Zukunft: Geistig fit bleiben (100%), sorglos und finanziell abgesichert sein (97%) und dauerhafte Bindungen im Familien- und Freundeskreis erhalten (93%). Die ältere Generation will geistig nicht stehen-, sondern in Bewegung bleiben, also mitunter lieber geistig anspruchsvolle ‚Vorlesungen an der Universität’ besuchen (23%) als sich mit ‚Stammtisch’ oder ‚Kaffeekränzchen’ (17%) zufriedenzugeben.
Professor Opaschowski: „Nicht Traumschiffe und Traumreisen stehen bei den Älteren im Zentrum ihrer Wünsche, sondern geistige Fitness, soziale Kontakte und materielle Sicherheit. Letzteres hat wenig mit Wohlstand oder der Anhäufung materieller Güter zu tun. Es geht mehr um die Freiheit von Geldsorgen und Existenzängsten. Sorglos leben, also gut vorgesorgt haben, und finanziell abgesichert sein stehen ganz oben auf der Wunschliste. Diese Kriegs- und Nachkriegsgeneration der Pflichterfüllung will eine Generation der Lebensfreude sein“. Mit dem Lebensalter nimmt die Freude am Sich-Frei-Fühlen deutlich zu. Die Träume vom guten Leben gleichen Wünschen mit Bodenhaftung. Die Älteren wollen mit beiden Beinen im Leben stehen und frei von Sorgen sein. Das ist für sie das höchste Glück.
Dieses Glück im Alter bekommen sie aber nicht geschenkt. Dafür müssen sie schon etwas tun. Das fängt – vor dem Hintergrund der Diskussion um „Mindestlöhne“ und „Mindestrenten“ – bei der privaten Vorsorge im Sinne von materieller Absicherung an, setzt sich über die Pflege und Intensivierung sozialer Kontakte im Umfeld von Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft fort und endet im Bemühen, sich dabei nicht selbstlos zu vergessen. Denn ohne eigene Gesundheit ist fast alles nichts wert. Für die 50plus-Generation ist daher klar: Man muss „mehr für die eigene Gesundheit tun“ (86%), also körperlich seelisch, geistig und sozial fit bleiben, um im Alter nicht „zum Pflegefall zu werden“ (92%). Wer so zu leben versteht, kann verhindern, dass die Altersträume von heute zu Alpträumen von morgen werden.

Das Buch

HORST W. OPASCHOWSKI/ULRICH REINHARDT:
„Altersträume –Illusion und Wirklichkeit“
ist ab dem 11. Oktober 2007 im Buchhandel erhältlich:
ISBN 978-3-89678-361-5 (Primus Verlag) – 2007 – 14,95 Euro
siehe auch Verzeichnis aller Publikationen

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@zukunftsfragen.de

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