1979-2009: 30 Jahre Zukunftsforschung. Stiftung für Zukunftsfragen veröffentlicht Studie „Vision Deutschland. Neue Wege in die Welt von morgen“ 

Forschung aktuell, 215

6. Juni 2009

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

1979-2009: 30 Jahre Zukunftsforschung. Stiftung für Zukunftsfragen veröffentlicht Studie „Vision Deutschland. Neue Wege in die Welt von morgen“

Mit Innovationen aus der Krise: „Windenergie, Gesundheitsvorsorge und Kinderbetreuung.“

Die Deutschen fordern Prioritäten in der Zukunftsgestaltung

Haushaltsroboter? Cyber-Brille, 3-D-Fernsehen und intelligente Kühlschränke? Nichts davon soll Zukunftswirklichkeit werden, wenn es nach den Wünschen und Forderungen der Deutschen geht. Die Frage „Was kommt nach der Krise?“ beantworten die Bundesbürger mit dem Hinweis auf die notwendige Erhaltung und Verbesserung der Lebens- und Umweltqualität in Deutschland. Ganz obenan stehen die Wünsche nach kostenloser Kinder-, Familien- und Altenbetreuung (92%), nach Therapien schwerer Krankheiten von Alzheimer bis Aids (96%) sowie nach vorrangiger Förderung der Wind- und Solarenergienutzung (87%). Dies geht aus der neuen Studie „Vision Deutschland“ der BAT Stiftung für Zukunftsfragen hervor, in der repräsentativ 2.000 Personen ab 14 Jahren nach ihren Zukunftsvorstellungen gefragt wurden.

„Über alle Lebensphasen hinweg wollen die Deutschen in Zukunft wieder mehr im sozialen Wohl-Stand leben. Sie hoffen dabei auf die Unterstützung des Staates, der Wirtschaft und der Wissenschaft“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Wissenschaftliche Leiter der Stiftung und Autor der neuen Zukunftsstudie: „Die Bundesbürger halten wenig von Erfindungen für den Augenblick. Nur nachhaltige Innovationen können ihrer Meinung nach anhaltenden Wohlstand und persönliches Wohlergehen auf Dauer gewährleisten.“

Die Deutschen haben ganz konkrete Vorstellungen, wie aus ihren Visionen von heute technologische und soziale Innovationen von morgen werden können. Diese Innovationen fallen für sie nicht einfach vom Himmel: Ihre Verwirklichung hängt von den aktuellen Entscheidungen in der Wirtschafts- und Forschungspolitik ab. Die Prioritäten der Bevölkerung, die Deutschland aus der Krise in eine lebenswerte Zukunft führen sollen, schließen Umwelt-, Arbeits- und Lebensqualität gleichermaßen ein.

Ökostrom. Die Leitenergie der Zukunft

Im Kampf gegen den Klimawandel setzen die Deutschen ganz auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Alternative Energiemärkte sind für sie die neuen Wachstumsmärkte. 87 Prozent der Bevölkerung fordern daher die vorrangige Förderung der Wind- und Solarenergienutzung. Die Produktion von Ökostrom soll für sie die Leitenergie der Zukunft werden. Stiftungsleiter Opaschowski: „Das ist eine Vision für die Welt von morgen, deren Verwirklichung sich aus Sicht der Bevölkerung lohnt und rechnet. Der verschwenderische Umgang mit Energie soll gestoppt, die Erschließung neuer Energiequellen vorrangig gefördert werden. Die Deutschen setzen ihre ganze Hoffnung auf alternative Energien. Sie sehen darin ein Allheilmittel für die ungelösten Probleme des Klimawandels.“

Gesundheitsvorsorge. Der Megamarkt der Zukunft

Gesundheit ist das höchste Gut im Leben, aber nicht Selbstzweck des Lebens. Dahinter steht die massive Angst vor schweren Krankheiten. Insofern kann es nicht überraschen, dass Therapien von Alzheimer bis Aids fast von allen Bundesbürgern (96%) als „die“ Zukunftsinnovation Nr. 1 gesehen werden. Diese Leistungen sollen nach Meinung der Bevölkerung die wichtigste Zukunftsaufgabe im medizinischen Bereich werden. Professor Opaschowski: „Gesundheit wird zum Megamarkt der Zukunft. Zu den Hoffnungsträgern der Zukunft zählen Biotechnologie, Gentechnik, Zelltherapie und regenerative Medizin. Medizinische Fortschritte sollen in erster Linie dem Kampf um die Bedrohungen des Lebens gelten. Existentielles soll Vorrang vor Wellness, Lifestyle oder gutem Aussehen haben.“ Entsprechend nachrangig werden mögliche Innovationen in der medizinischen Forschung angesehen wie z.B. die Nutzung gentechnologischer Erkenntnisse zur bloßen Erhöhung der Lebenserwartung bis zu hundert Jahren (31%) oder Medikamente zur Intelligenzsteigerung (20%). Die meisten Bundesbürger wollen nicht einfach nur lange leben. Sie wollen auch wissen, ob es sich lohnt, so lange zu leben.

Von der Kinderbetreuung bis zur Grundrente. Der soziale Wohlstand der Zukunft

Die Grundgeborgenheit großer Teile der Bevölkerung ist gefährdet, wenn es in Zukunft nicht gelingt, die soziale Lebensqualität der Menschen genauso zu gewährleisten wie die Erhaltung des materiellen Lebensstandards. Geborgenheit wird so wichtig wie Freiheit – von der Kindheit bis ins hohe Alter. Immer mehr Menschen sind in Krisenzeiten auf Vorsorge und Versorgung, auf Fürsorge und Betreuung angewiesen. Dies klingt wie ein Hilferuf der Bevölkerung an Kommunen, Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbände, an Elternvereine, Betriebe und private Träger. Die Betreuungswünsche reichen von der Tagesmutterunterstützung bis zur Tagespflege.

92 Prozent der Bevölkerung halten über alle Lebensalter hinweg solche sozialen Betreuungsleistungen für „persönlich wichtig“. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hat inzwischen erkannt, dass im Alter Armut und Sozialhilfe drohen, wenn nicht frühzeitig sozialpolitisch vorgesorgt wird. Zur Verhinderung von Altersarmut halten daher 87 Prozent der Bevölkerung die Einführung einer Grundrente für alle für unverzichtbar.

„Den Bundesbürgern kann der Ausbau dieser Einrichtungen und Dienstleistungen nicht schnell und auch nicht gut genug gehen. Sie knüpfen ihre Zukunftshoffnungen nicht nur an notwendige Investitionen in Betreuungsplätze. Genauso wichtig ist für sie der Nachweis der Qualifizierung und die verlässliche Garantie einheitlicher Gütesiegel.“ Die Bevölkerung wünscht sich von einer zukunftsfähigen Politik mehr Vorsorge, vor allem die aktivierende Unterstützung gemeinnütziger Tätigkeiten und sozialer Engagements der Bürger selbst. Über zwei Drittel der Bevölkerung (70%) fordern besondere Prioritäten in der Kommunalpolitik. Konkret: Die vorrangige Förderung freiwilliger Nachbarschaftshilfen durch Helferbörsen in Wohnquartieren. Die Bürger wollen sich mehr gegenseitig helfen – wenn man sie nur lässt und dabei infrastrukturell unterstützt.

Frauen und ältere Arbeitnehmer. Die neuen Zielgruppen im Arbeitsmarkt der Zukunft

Der demographische Wandel wird bald in der Arbeitswelt ankommen: 85 Prozent der Deutschen rufen heute schon nach neuen Beschäftigungschancen für ältere Arbeitnehmer. Nur so können personelle Engpässe in der Zukunft überwunden werden. Die Folgen bleiben nicht aus: Die Unternehmen behalten ihr Know-how und ihr „Langzeitgedächtnis“. Und die Älteren können durch Zuverdienste ihren Lebensstandard sichern. Ältere werden wieder wichtiger.

Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung (66%) sieht auch die Schaffung und Förderung von mehr Führungspositionen für Frauen als weitere unverzichtbare Zukunftsaufgabe an. Opaschowski: „Weil die Qualifikation von Frauen nachweislich wächst und die der Männer teilweise übertrifft, sind mehr Führungspositionen für Frauen nur konsequent. Die Führungsetagen müssen weiblicher werden.“

Effizienz- und Generationenhäuser. Die Wohnformen der Zukunft

Behagliches Wohnen soll finanzierbar bleiben. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten richten sich die Hoffnungen der Deutschen auf Zukunftstechnologien wie z.B. „Niedrig-Energiehäuser mit halbem Aufwand für Heizung“. 93 Prozent der Bundesbürger wünschen sich, dass diese Zukunftsvision Wirklichkeit wird. Mieter wie Vermieter wollen gleichermaßen das Energiesparpotential ihrer Häuser und Wohnungen effektiver ausschöpfen und Energieeffizienz erreichen.

In diesem Zusammenhang muss auch die Forderung von zwei Dritteln der Bevölkerung (65%), in Zukunft miteinander verbundene Haushalts-Sicherungssysteme mit Schutzfunktionen vor Einbrüchen zu entwickeln, gesehen werden. Das ist eine soziale Herausforderung für den künftigen Wohnungsbau. Zukunftsweisend sind aus der Sicht der Bevölkerung auch Generationenhäuser: Zwei Drittel der Bundesbürger (64%) halten generationsübergreifende Bau-, Haus- und Wohnungsgemeinschaften für besonders wichtig. Professor Opaschowski: „Hier mangelt es aber bisher noch an Pilotprojekten und Best-practice-Beispielen, die den Menschen Mut machen, in einer Gesellschaft des langen Lebens zu leben, ohne allein zu sein oder sich alleingelassen zu fühlen.“

Gebrauchen statt Verbrauchen. Die ökologischen Erfordernisse der Zukunft

Pragmatismus statt Panik lautet die Empfehlung der Bevölkerung zur Lösung der Umweltfrage. Ganz obenan steht die Einsicht, mit den natürlichen Ressourcen sorgsamer umzugehen und das verschwenderische Verbrauchen durch das ökonomischere Gebrauchen zu ersetzen. Sie halten drei ökologische Zukunftsvisionen für realistisch:

  1. Die langfristige Nutzung von Gebrauchsgütern wie Pkw, PC u.a. (82%).
  2. Mehr Stromerzeugung durch Müllverbrennung (80%).
  3. Kfz-Steuerbefreiung für umweltfreundliche Autos wie z.B. Elektroautos und Autos mit Brennstoffzellen (78%).

Das sollen die umwelttechnologischen Innovationen der Zukunft aus der Sicht der Bevölkerung werden. Opaschowski: „Diese Art von Umwelt- und Klimaschutz tut nicht weh und ist dennoch wirksam. Und mit Verzicht oder Verboten muss auch nicht gedroht werden.“

Schutz der Privatsphäre. Die mediale Herausforderung der Zukunft

Ob CeBit oder Funkausstellung: Die Informationen über neue Medienentwicklungen und -produkte überschlagen sich. Auf Buchmessen dominieren Diskussionen über neu entwickelte E-Books, die traditionelle Printmedien in den Schatten stellen sollen. Doch der Eindruck täuscht: Die Macher haben die Rechnung ohne die Mitmacher gemacht. In den zunehmend unsicherer werdenden Zeiten stehen ganz andere Erwartungen der Bevölkerung an die Medienindustrie der Zukunft im Mittelpunkt. Persönlich wichtiger als elektronische Zeitungen und Bücher (20%) werden Überwachungskameras zur eigenen Sicherheit (31%) eingeschätzt.

Auch in Zukunft werden die Medien für Information und Unterhaltung unverzichtbar sein. Aber zur Bewältigung ungelöster sozialer Fragen des täglichen Lebens tragen neue Produkte der Medientechnologie offensichtlich wenig bei. Daran wird auch die Erfindung des E-Books wenig ändern. 80 Prozent der Deutschen wollen auf diese digitale Revolution vorerst gerne verzichten.

Leitbild Deutschland. Land der Hoffnung und des Fortschritts

Heinrich Heines geflügeltes Wort „Denk’ ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“ erfährt eine positive Wende. Beim Gedanken an die Zukunft denken die Deutschen an Hoffnung (41%) und Fortschritt (39%), gefolgt von Arbeit (37%), Technik (34%) und Bildung (23%). Leben im Land der Hoffnung und des Fortschritts – das ist vor allem die Zukunftsvorstellung der jungen Generation im Alter bis zu 34 Jahren. Deutlich stärker als die übrige Bevölkerung können sich die Jungen für Deutschlands Zukunftschancen begeistern: Basierend auf den drei Fundamenten Arbeit (46%), Technik (42%) und Bildung (32%) machen sie sich auch und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten große Hoffnungen (45%) und setzen dabei auf Fortschritt (48%): Sie halten wenig von Stillstand – wollen gehen und nicht stehen bleiben. Vorwärts gehen heißt für sie: Weiterkommen.

Sie vertrauen auf die eigene Leistung und versprechen sich davon – mehr als die übrigen Bevölkerungsgruppen – Wachstum und Wohlstand für Deutschland. Professor Opaschowski: „Zukunftshoffnung und Fortschrittsglaube schließen sich für die junge Generation nicht aus. In einem Land der Ideen und der Leistung sieht die Jugend am ehesten ihre Zukunftshoffnungen verwirklicht. Zukunft heißt für sie Fortschritt – ökologisch, technologisch und sozial.“

Überaus gering ist allerdings der Glaube der Jugend an die Zukunftsfähigkeit von Reformen ausgeprägt (16%). Das kann nicht weiter überraschen, weil „Reformen“ seit über dreißig Jahren zum Alltag der Sozial- und Bildungspolitik in Deutschland gehören und für die junge Generation ihren Innovationscharakter verloren haben. Für diese Generation ist Reformpolitik zum Dauerthema („Generation Reform“) geworden.

Vision Deutschland. Was uns gemeinsam vorwärts bringt

Aus der Sicht der Bevölkerung müssen die Weichen für die Welt von morgen schon heute gestellt werden: Politik und Wirtschaft sollen jetzt handeln, zumal sie den Hoffnungsträger Jugend auf ihrer Seite haben. Im Vergleich zur übrigen Bevölkerung setzt die junge Generation der 14- bis 34-Jährigen beim Gedanken an die Zukunft auf mehr Arbeit (+ 9 Prozentpunkte), mehr Bildung (+9), mehr Innovation (+6) und mehr Leistung (+4). Der Hoffnungsträger von heute kann zum Leistungsträger von morgen werden. Deutschland – eine Generation weiter: Selbstvertrauen ersetzt im Vergleich zur übrigen Bevölkerung das Gottvertrauen (-5) und weniger Unsicherheitsgefühle (-7) verdrängen die Zukunftsangst. Die nächste Generation will von Zukunftspessimismus wenig wissen. Sie versteht sich als Akteur der Zukunft und will sich nicht nur auf den Staat und die Politik verlassen. Sie will selbst etwas bewegen und auch im eigenen Interesse alles tun, was „uns“ gemeinsam vorwärts bringt. Opaschowski: „Da wird der Solitär zum Solidär: Aus der Gesellschaft der Ichlinge wird eine Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit.“

Deutschland steht am Beginn einer Periode der Erneuerung – mit der Konsequenz: Die Zukunft wird neu entdeckt. Zukunftsvisionen werden nicht länger nur mit Produktvisionen verwechselt. Und mehr mit unternehmerischem Mut als mit Staatsgläubigkeit wollen die Bundesbürger Wege in die Zukunft beschreiten und dabei auch Umwege nicht scheuen.

Die Studie gelangt zu dem hoffnungsvollen Ergebnis: Was die Pioniere und amerikanischen Siedler einst geschafft haben, ist in Deutschland die historische Wiederaufbauleistung der Nachkriegsgeneration gewesen. Jetzt in Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise beginnt eine zweite Wiederaufbauleistung, bei der die Bürger Spuren und nicht nur Staub hinterlassen wollen. Wann, wenn nicht jetzt? Die Ärmel aufkrempeln und Deutschland erneuern: Visionen haben, Innovationen wagen – und loslegen! Unternehmergeist und Innovationsbereitschaft, Initiative und Verlässlichkeit können das neue „Made in Germany“ werden. Die Gesellschaft in Deutschland wird nach der Krise eine andere sein – eine selbstbewusstere und solidarischere Gesellschaft mit starken Bürgern.

Forschungsinformationen

Anlässlich des Jubiläums „30 Jahre wissenschaftliches Engagement“ (1979-2009) von British American Tobacco veröffentlicht die Stiftung für Zukunftsfragen (ehemals BAT Freizeit-Forschungsinstitut) die Studie „Vision Deutschland. Neue Wege in die Welt von morgen“. Autor ist Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung.

Anzahl und Repräsentanz der Befragten: 2.000 Personen ab 14 Jahren
Befragungszeitraum: Januar bis März 2009
Befragungsinstitut: GfK Marktforschung/Nürnberg

STIFTUNG FÜR ZUKUNFTSFRAGEN
Eine Initiative von British American Tobacco
Alsterufer 4
20354 Hamburg

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@zukunftsfragen.de

Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge