BAT-Stiftung für Zukunftsfragen veröffentlicht neue Untersuchung zum Freizeitverhalten in Deutschland
Alltag in Krisenzeiten: Mehr „Freizeit daheim“
Fernsehen, Familie und Faulenzen dominieren
Die eigene Freizeit ist den Deutschen bekanntlich lieb und teuer. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an die freie Zeit: Spaß, Action und Erlebnis, Kultur, Sport und Erholung, Familie, Freunde und Bekannte treffen und noch vieles mehr. Soweit die Wunschvorstellungen. Doch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten muss man sich ein vielfältiges und abwechslungsreiches Freizeitverhalten auch leisten können. Daher überrascht es nicht, dass die Bundesbürger es sich am liebsten zu Hause bequem machen. Entspannung vor dem Fernseher (97%), Telefonieren (91%) und Radio hören (89%) stehen unangefochten an der Spitze der Freizeitaktivitäten. Dies geht aus dem „Freizeit-Monitor 2010“ hervor, in dem die Stiftung für Zukunftsfragen – eine Initiative von British American Tobacco, repräsentativ 4.000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland zu insgesamt achtzig Freizeitaktivitäten befragt hat.
Die häufigsten Freizeitaktivitäten, die die Deutschen regelmäßig, d.h. wenigstens einmal pro Woche ausüben, finden fast alle in den eigenen vier Wänden statt. Neben dem Lesen von Zeitungen/Zeitschriften (79%) widmen sich die Bundesbürger hierbei in erster Linie der Familie (72%) und dem Partner (67%). Aber auch der ganz persönlichen Freizeitgestaltung kommen die Bundesbürger regelmäßig nach: So nehmen sich knapp drei Viertel der Bevölkerung die Zeit ihren Gedanken nachzugehen (71%). Zwei Drittel schlafen aus (65%) und die Hälfte genießt das Faulenzen und Nichtstun (50%). Vieles erinnert derzeit an den Cocooning-Trend aus den 80er und 90er Jahren, bei dem der Rückzug in das eigene Heim und die Privatsphäre stattfand. Die Gründe hierfür haben sich jedoch gewandelt, so der Freizeitexperte der BAT Stiftung Dr. Ulrich Reinhardt: „Wir erleben derzeit Cocooning 4.0. Die erste Welle war ein Rückzug in die Gemütlichkeit und Heimeligkeit. Die zweite Welle in den Börsenboomjahren war geprägt von einem neuen Narzissmus, in dem die eigene Wohnung zum Objekt des Selbst-Stylings wurde. Nach dem 11. September 2001 galt Cocooning dann als Synonym für Schutz und Harmonie mit der Familie und den Freunden. Derzeit ist es eher ein erzwungenes und rezessionsbedingtes Cocooning. Unsicherheit und Zukunftssorgen lassen viele Deutsche ihre Freizeit daheim verbringen.“
Als einzige Top-Ten Freizeitaktivität, die (meistens) nicht zu Hause stattfindet, verbreitet sich immer mehr die Handynutzung (65%). Ob auf dem Weg zur Arbeit, während auf den nächsten Bus gewartet wird, im Restaurant, beim Frisör oder im Supermarkt, fast überall nutzen die Deutschen jede freie Minute, um Informationen oder Belanglosigkeiten mobil auszutauschen. „Seit Flatrates und geringen Gebühren dient das Handygespräch nicht nur als Kommunikationsbrücke zu anderen, sondern oftmals auch als eine Beschäftigung gegen die eigene Langeweile“, so Ulrich Reinhardt.
Geringverdiener helfen sich wieder mehr selbst
In den letzten Jahrzehnten wurde Freizeit oftmals mit Konsumzeit gleichgesetzt. In der Konsequenz stieg die Häufigkeit der Freizeitaktivitäten mit dem Einkommen: Wer viel verdiente, konnte viel unternehmen. Geringverdiener dagegen blieben meist auf der Strecke und übten fast alle Freizeitaktivitäten seltener aus – drei Ausnahmen bestätigten stets die Regel: Bei der Handarbeit, dem Nichtstun und dem Gottesdienst lagen die unteren Einkommensgruppen vorne. Im aktuellen Freizeit-Monitor der BAT Stiftung zeigt sich jedoch ein Wandel. Statt weiterhin nur von der schönen Freizeitwelt zu träumen, helfen sich die Geringverdiener lieber selbst. Fast dreißig von achtzig Freizeitaktivitäten werden mittlerweile öfter von Bürgern mit einem niedrigen Einkommen (unter 1.000€ monatlichen Nettoeinkommen) ausgeübt als von den Besserverdienenden (Nettoeinkommen über 3.500€).
Zwar werden Theaterbesuche, Wellnessanwendungen oder auch Tagestrips häufiger von den Beziehern hoher Einkommen ausgeübt, aber gerade im sozialen Umfeld hat sich ein Wandel vollzogen. So findet z.B. bei einem geringen Einkommen ein stärkerer Austausch mit den eigenen Nachbarn statt, sei es beim Plaudern oder bei der konkreten Nachbarschaftshilfe. Im Freundeskreis trifft man sich häufiger privat, man hilft sich gegenseitig vermehrt handwerklich und es werden auch mehr neue Freundschaften geschlossen. Selbst in einigen sportlichen Bereichen sind die Geringverdienenden häufiger aktiv: Sie fahren mehr Rad, gehen öfter wandern und tun häufiger etwas für die eigene Gesundheit. Reinhardt: „Die zunehmende Unsicherheit in Krisenzeiten lässt viele Bürger über kostengünstige Freizeitaktivitäten nachdenken. Kostengünstig heißt jedoch nicht anspruchslos, weniger sinnvoll oder weniger spaßig. Einher geht hiermit eine Aufwertung sozialer Freizeitaktivitäten im Nahbereich von Wohnung und Wohnquartier – eine für die Gesellschaft sehr positiven Entwicklung“.
Diese bedeutet freilich nicht das Ende von Restaurants, Kinos oder Shoppingcenter, denn die (Konsum-)Wünsche bleiben bestehen. So gibt jeder siebte Geringverdiener als Freizeitaktivität „zusätzliches Geld verdienen“ (14%, Gesamtbevölkerung: 11%) an, um sich von Zeit zu Zeit auch teurere Freizeitwünsche erfüllen zu können.