Kein Geld und keine Karriere: Weshalb die Deutschen keine Kinder bekommen 

Forschung aktuell, 248

1. August 2013

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

Kein Geld und keine Karriere: Weshalb die Deutschen keine Kinder bekommen

Hintergrund

Ab dem 1. August dieses Jahres hat jedes Kind, das älter als 12 Monate ist, einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz. Gleichzeitig besteht für Eltern auch die Möglichkeit, ein sogenanntes Betreuungsgeld zu beantragen, wenn sie ihre Kinder daheim selbst betreuen. Beide Ansätze sollen Eltern unterstützen – und gleichzeitig Anreize liefern, langfristig die Geburtenquote in Deutschland zu erhöhen. Dies ist auch notwendig, liegt Deutschland mit einer Geburtenquote von 1,36 (100 Frauen bekommen 136 Kinder) unter dem EU-Durchschnitt von 1,57. Weshalb aber bekommen die Bundesbürger so wenige Kinder? Dieser Frage ist die gemeinnützige BAT-STIFTUNG FÜR ZUKUNFTSFRAGEN in ihrer aktuellen Untersuchung nachgegangen und hat repräsentativ über 2.000 Personen ab 14 Jahren gefragt, warum so viele Deutsche keine Familie gründen. 

Kernergebnis

Die Mehrheit der Bürger führt die finanziellen Kosten für den Nachwuchs, die Angst, die eigene Freiheit zu verlieren, sowie die Sorge vor einem Karriereknick als wesentliche Gründe für die Kinderlosigkeit an. Fehlende staatliche Voraussetzungen wie z.B. nicht genügend Betreuungsangebote werden ebenfalls von fast jedem zweiten Bürger angeführt, wobei dieses Argument im Westen deutlich öfter (63%) genannt wird als im Osten (40%). 

Unterschiede innerhalb der Bevölkerung

Innerhalb einzelner Bevölkerungsgruppen werden hierbei unterschiedliche Sichtweisen deutlich:
So beklagen Familien überdurchschnittlich oft fehlende staatliche Voraussetzungen (50%), kinderlose Paare nennen ein nicht vorhandenes, ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf und Familie (58%), und Singles führen überdurchschnittlich oft die Angst vor Scheidung an (24%). Formal höher Gebildete gehen davon aus, dass die eigene Karriere sich nur schlecht mit der Familie vereinbaren lässt (62%), wohingegen formal geringer Gebildete anführen, dass Kinder Geld kosten und sich viele dies nicht leisten können bzw. wollen (70%).
Große Unterschiede zeigen sich auch zwischen berufstätigen Männern und Frauen. So nennen die weiblichen Berufstätigen die Sorge, dass Kinder in Zukunft kein sicheres und sorgenfreies Leben führen können (44%; Männer 35%), eine fehlende Work-Family-Balance (56%-50%), aber auch die Angst vor Scheidung (19%-16%) signifikant öfter als arbeitende Männer. Diese nennen dagegen eher fehlendes Geld (70%; Frauen 66%) oder eine fehlende Sinnerfüllung des Lebens durch Kinder (24%-20%) als Gründe gegen die Familiengründung.

Zeitvergleich

Im Jahresvergleich zu 2011 zeigt sich, dass finanzielle (+9 Prozentpunkte) und berufliche Gründe (+6 PP) häufiger angeführt werden, wohingegen das Argument der unsicheren Zukunft für die Kinder deutlich an Bedeutung verloren hat (7 PP).  

Interpretation und Fazit

Professor Dr. Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung: „Die Unsicherheit, ja fast schon Angst vor der Familiengründung hält bei vielen Bundesbürgern an. Diese umfasst für zunehmend mehr Deutsche neben der Angst, sich Kinder schlichtweg nicht leisten zu können bzw. den eigenen Lebensstandard einschränken zu müssen, vor allem die Sorge, Familie und Beruf nicht vereinbaren zu können und die eigene Karriere zu vernachlässigen. Zudem werden aber auch die Angst vor einer möglichen Scheidung, die Angst vor den unsicheren Zukunftsperspektiven für Kinder oder die Angst, den falschen Zeitpunkt zu wählen, genannt.“
„Derzeit gibt es zahlreiche Argumente der Bürger gegen eine eigene Familie. Zweifellos lassen sich diese Sorgen und Befürchtungen der Bevölkerung nicht einfach von heute auf morgen entkräften. Gefordert sind sowohl die Politiker, die Rahmenbedingungen zu stellen, als auch die Unternehmen, endlich flächendeckend mit der Möglichkeit einer Karriere mit Kind ernst zu machen. Aber auch die Bürger sollten umdenken – es gibt keine absolute Sicherheit im Job oder bei der Partnerwahl, der richtige Zeitpunkt ist nie da und die Einschränkungen bei der Freiheit und dem Lebensstandard zahlen sich ebenso kurzfristig wie auch langfristig aus – seien es die zahllosen Glücksmomente mit den Kindern, der Zusammenhalt in der Familie oder die Sicherheit, im Alter nicht allein zu sein. Die Gründung einer Familie lohnt sich also in jedem Fall.“

Technische Daten der Untersuchung

Befragungszeitraum: Juni/Juli 2013
2.000 Befragte ab 14 Jahren in persönlichen face-to-face Interviews
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in der neusten Publikation der Stiftung „Generationenvertrag statt Generationenverrat“.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

Tel. 040/4151-2264
Fax 040/4151-2091
guels@zukunftsfragen.de

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