Vom Bürostuhl in den Liegestuhl? – Mehr als zwei Drittel aller Reisenden arbeiten fast bis zur letzten Minute 

Forschung aktuell, 263

1. Juli 2015

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

Vom Bürostuhl in den Liegestuhl?
Mehr als zwei Drittel aller Reisenden arbeiten fast bis zur letzten Minute

Diese Woche beginnen in den ersten Bundesländern die Sommerferien und für die Mehrheit der Deutschen geht es in den langersehnten Urlaub, den rund 40 Prozent aller Reisenden zwischen den deutschen Küsten und Bergen verbringen werden. Mehr als jeden zweiten Urlauber wird es ins europäische Ausland ziehen, wobei vor allem die Mittelmeerländer Spanien und Italien, Griechenland und die Türkei in der Gunst der Bundesbürger liegen. Eine Fernreise wird sich dagegen lediglich etwa jeder zehnte Reisende leisten, da diese für die meisten Deutschen schlichtweg zu teuer ist.
Doch ganz egal wohin es geht, die Erwartungen an die besten Wochen des Jahres sind hoch und reichen von der Erholung von und für die Arbeit über „neue Eindrücke sammeln“ und „einen Kontrast zum Alltag erleben“ bis hin zu „einfach Zeit mit den Freunden oder der Familie verbringen“. Umso wichtiger ist es, den Stress vor Beginn des Urlaubs möglichst gering zu halten.
Die gemeinnützige BAT-Stiftung für Zukunftsfragen ist in einer aktuellen Untersuchung daher der Frage nachgegangen, wie lange die Bundesbürger vor dem Reisebeginn aufhören zu arbeiten, um entspannt in den Urlaub zu starten. Hierfür wurden repräsentativ über 4.000 Bundesbürger in persönlichen Befragungen (face-to-face) interviewt.
Fest steht: Für über zwei Drittel aller Reisenden startet der Urlaub schlagartig und meist mit Stress. So geht mehr als jeder dritte Deutsche buchstäblich bis zur letzten Minute seiner alltäglichen Tätigkeit nach und wechselt vom Bürostuhl gleich in den Liegestuhl.
Insbesondere Selbstständige und Freiberufliche (47% ohne einen Tag Pause) arbeiten bis zum Abreisetag. Deutlich entspannter starten Beamte und (Fach-)Arbeiter in ihren Urlaub (10% bzw. 20% ohne einen Tag Pause). Aber auch Frauen, formal Niedriggebildete und Geringverdiener leisten sich überdurchschnittlich oft keinen sanften Start in den Urlaub.
Ein weiteres Drittel aller Reisenden gibt sich mit nur einem freien Tag vor Reisebeginn zufrieden. Einen entspannten Start in den Urlaub gönnen sich dagegen nur die wenigsten Deutschen.
Für den Wissenschaftlichen Leiter der BAT-Stiftung, Professor Dr. Ulrich Reinhardt, riskieren viele Reisende damit ihr Urlaubsglück: „Wer die Koffer erst am Vorabend packt und mit der Reiseplanung erst am Urlaubsort beginnt, kann den Alltag schlechter hinter sich lassen und droht sogar im Urlaub krank zu werden. Wenigstens drei Tage vor Reisestart sollte man den Alltag langsam ausklingen lassen und in Urlaubsstimmung kommen.“
Das Verhalten der meisten Bundesbürger überrascht auch dahingehend, dass obwohl Deutschland zu den Ländern mit den meisten Urlaubstagen zählt (durchschnittlich über 28 Tage pro Jahr) und die eigentliche Reisedauer seit Jahrzehnten sinkt (1980: 18 Tage, 2014: 12 Tage), jeder Urlaubstag scheinbar so kostbar ist,dass viele Reisende lieber Stress in Kauf nehmen, als entspannt in die Ferien zu fahren.
Die Gründe hierfür sieht Reinhardt in der Tatsache, dass für viele Reisende ein freier Tag vor Reisebeginn ein verschenkter Urlaubstag zu sein scheint und viele Arbeitnehmer sich für geradezu unersetzlich halten.
Seine Empfehlung lautet daher: „Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Dieses sollten die Bundesbürger öfter berücksichtigen. Der Urlaub kann durchaus auch schon daheim beginnen, sei es beim Ausloten der persönlichen oder gemeinsamen Erwartungen oder beim Durchbrechen des Alltagstrotts. Dies gelingt z.B. indem in den Tagen vor der Abreise später gefrühstückt, Mittagsschlaf gehalten oder am Nachmittag in Ruhe ein Buch gelesen wird.“
Dies gilt gleichermaßen für die Rückkehr aus dem Urlaub. Auch hier ist es ratsam, sich ein paar Tage zum Ankommen zu nehmen. Die Koffer in Ruhe auspacken, das Urlaubsessen nachkochen, die Fotos nicht nur auf dem Handy anschauen, sondern auch mal wieder ausdrucken, oder einfach noch in Erinnerungen schwelgen. All das hilft, um die Erholung nachhaltiger zu konservieren und mehr Positives aus dem Urlaub zu ziehen. Wer sich dagegen sofort wieder in die Arbeit stürzt, läuft Gefahr, nach wenigen Tagen bereits wieder das Gefühl zu haben, urlaubsreif zu sein.
Jedoch sieht auch hier die Realität anders aus: Mehr als jeder zweite Bundesbürger geht spätestens 36 Stunden nach dem Urlaub wieder seinen alltäglichen Aufgaben nach. Besonders Selbstständige und Rentner gönnen sich keine Eingewöhnungszeit. Am wenigsten Nachurlaub haben allerdings Hausfrauen: Neun von zehn beginnen sofort mit dem Wäschewaschen, Einkaufen und dem Hausputz.
Zum weiterlesen: 10 Tipps von Professor Dr. Ulrich Reinhardt für einen gelungenen Urlaub
Weitere Auswertungen zum Reiseverhalten der Deutschen finden Sie auf unserer Website unter www.tourismusanalyse.de. Dort steht Ihnen ebenfalls ein kostenloser PDF-Download der vollständigen Studie zur 31. Deutschen Tourismusanalyse 2015 zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

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