Neue Repräsentativumfrage in der DDR: „Alles“ – wie im Westen!
Was DDR-Konsumenten wollen
Die DDR-Bürger werden sich schon bald den westdeutschen Konsumgewohnheiten anpassen. Das Konsumgefälle wird nicht von langer Dauer sein. Zwei von fünf DDR-Bürgern (39 %) wollen – wie viele westdeutsche Konsumenten (45 %) auch – nur eins: „Erlebniskonsum“ . Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Repräsentativumfrage des BAT Freizeit-Forschungsinstituts bei Personen ab 14 Jahren in der DDR.
Konsumlust Ost – Konsumlust West
Das BAT Institut befragte zeitgleich im April 1990 auf repräsentativer Basis 1.000 DDR-Bürger und 2.000 Bundesbürger nach ihrer Einstellung zum Konsum in der Freizeit. Die Befragungsergebnisse deuten darauf hin: Konsumlust Ost und Konsumlust West liegen nicht weit auseinander. 59 Prozent der DDR-Bevölkerung und 54 Prozent der Bundesbürger kaufen zunächst einmal nur das, was zum Leben notwendig ist, sie müssen oder wollen sparen. In beiden Ländern gibt der „Otto-Normalverbraucher“ den Ton an. Auch in seiner Freizeit konsumiert der Normalkonsument wie im täglichen Leben auch: Ihm genügt eine Sorte Bier oder Cola und nicht ein Überangebot von verschiedenen Geschmackslinien und Verpackungssystemen. In beiden Ländern ist die Verbraucherschaft in zwei Lager gespalten: In Versorgungskonsumenten (vorwiegend ältere Generation) und Erlebniskonsumenten (vorwiegend jüngere Generation).
„Den gleichartigen Konsumwünschen liegen gemeinsame kulturelle Normen und Traditionen zugrunde“, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Leiter des BAT Instituts. Auch 45 Jahre unterschiedliche Nachkriegsgeschichte können nicht verhindern, daß bestimmte kulturelle Traditionen und Lebensansprüche von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurden. Aus der internationalen Kultur- und Wertewandelforschung ist bekannt, daß es dauerhafte kulturelle Normen gibt, die langfristig auch unabhängig von unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen weiterwirken. Frühe Lernerfahrungen in Kindheit und Jugend prägen die Lebensgewohnheiten einer ganzen Generation und werden tendenziell an die nachfolgende Generation weitergegeben.
Mit der Wirtschafts- und Währungsunion leben solche kulturellen Traditionen (auch Konsumgewohnheiten) wieder auf. Der DDR-Konsument wird daher kein „neues unbekanntes Wesen“ sein. Wenn die Wirtschafts- und Einkommensverhältnisse es zulassen, werden sich die Konsumgewohnheiten in beiden Ländern schnell angleichen. Billigwaren werden genauso wie Qualitätsprodukte gefragt sein.
Andererseits scheint der Nachholbedarf bei den DDRKonsumenten besonders groß zu sein: Nur 6 Prozent (Bundesbürger 12 %) können sich noch für das Sparen begeistern. Sie haben wohl lange genug im Leben gespart: Jetzt wollen sie sich Dinge leisten, die ihr „Leben schöner machen“ (25%). Doch die Konsumlust hat ihre finanziellen Grenzen: Über das Lebensnotwendige hinaus wollen sich lediglich 5 Prozent der befragten DDR-Bürger „öfter mal was Neues leisten“ (Bundesbürger: 7 %) und dabei gelegentlich auch zu viel ausgeben. Und vom Luxuskonsum können 97 Prozent der DDR-Bürger überhaupt nur träumen, wobei zumindest in der Übergangszeit „Luxus“ eine andere Bedeutung als bei uns haben wird.
Ost-Berliner im Konsumfieber? Regionale Ungleichgewichte in den Konsumgewohnheiten
Den Versorgungskonsumenten stehen in der DDR 39 Prozent Erlebniskonsumenten gegenüber, für die bereits heute das Konsumieren und Einkaufengehen ein Freizeiterlebnis ist.
Allerdings zeigen sich in dieser Einschätzung starke regionale Ungleichgewichte: Ost-Berlin läuft allen anderen DDR-Regionen den Rang ab. Wer in seiner Freizeit das Einkaufen erleben und genießen will, muß wohl in Ost-Berlin wohnen. In keiner anderen Region gibt es so viele Anhänger des Erlebniskonsums wie hier (71 %). Der Erlebniswert des Einkaufens ist in der DDR-Hauptstadt doppelt so hoch wie in Brandenburg (35 %), Thüringen (34 %), oder Mecklenburg (32 %). Die unmittelbare Nachbarschaft zu West-Berlin macht Ost-Berlin nahezu kokurrenzlos: Während sich noch zwei Drittel (66 %) der Thüringer und Mecklenburger Tag für Tag um den Versorgungskonsum Gedanken machen müssen, trifft dies nur mehr für eine Minderheit (29 %) der Ost-Berliner zu. Dazu Professor Opaschowski: „Dies ist eine Momentaufnahme zum Konsumklima und Konsumangebot im April dieses Jahres.“ Mit der Einführung der DM wird sich der gesamte Konsummarkt verändern, die Kauf-und Konsumgewohnheiten der DDR-Bürger auch. Im gleichen Maße, wie die Grenzen fallen, werden die Konsumenten mobiler und wählerischer: Sie werden dann zwischen Rostock und Kiel oder Leipzig und Hannover wählen können.
Technische Daten der Befragung:
Anzahl und Repräsentanz der Befragten:
1.000 Personen ab 14 Jahren in der DDR,
2.000 Personen ab 14 Jahren im Bundesgebiet und in West-Berlin
Zeitraum der Befragung: 14. bis 23. April 1990
Befragungsinstitut: SAMPLE INSTITUT im Auftrag des BAT Freizeit-Forschungsinstituts
Interviewerteam: 210 speziell geschulte Interviewer