Immer mehr Vereine – immer weniger Mitglieder: Das Vereinswesen in Deutschland verändert sich
Im 10-Jahres-Vergleich zeigt sich innerhalb Deutschlands ein uneinheitliches Bild:
- Der Anteil der Landbewohner, die in einem Verein sind, blieb konstant, während der Anteil der Großstädter deutlich abnahm – minus 10 Prozentpunkte.
- Auch wenn noch immer mehr Männer als Frauen in einem Verein sind, ging der Anteil der männlichen Mitglieder doppelt so stark zurück (−12 PP) wie der der weiblichen (−6 PP).
- Innerhalb der Altersgruppen war der Mitgliederschwund im mittleren Alter am höchsten (−11 PP). Im Nachwuchsbereich waren die Einbußen entgegen der Erwartungen lediglich so hoch wie bei den über 55-Jährigen (jeweils −8 PP).
- Die höchsten Austrittszahlen mussten die Vereine im Osten verkraften – diese haben in zehn Jahren fast ein Viertel ihrer Mitglieder verloren (−16 PP); im Westen war der Rückgang nur halb so hoch (−8 PP).
Professor Dr. Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, sieht Chancen wie auch Herausforderungen für die Vereinskultur in Deutschland: „Der demografische Wandel wird das Vereinsleben ebenso beeinflussen wie die ständig wachsende Zeitkonkurrenz zwischen Arbeit und Alltag, Konsum und Kommerz, Familie und Freunden, Medien und Mußebedürfnis. All dies wird zu einem Umdenken in den Vereinen führen: Von einer neuen Angebotsstruktur über eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse älterer Mitglieder bis hin zu neuen Ansätzen beim ehrenamtlichen Engagement. Wichtig ist zudem eine Loslösung von der Vereinsmeierei der Vergangenheit. Die Mitglieder der Zukunft wollen sich weder verpflichten noch festlegen, sondern flexible Angebote nutzen, die ihnen zeitlich und inhaltlich ebenso zusagen wie auch zwischenmenschlich passen. Wenn dies passiert, werden Vereine eine große Zukunft haben.“
Jeder fünfte Deutsche ist in einem Sportverein
Bei der Verteilung nach Vereinstypen zeigt sich deutlich die große Beliebtheit der Sportvereine. Jeder fünfte Bundesbürger verbringt in mindestens einem dieser einen Teil seiner Freizeit. Aber auch Hobby- und Interessenvereine begeistern viele Bürger – von Musik- und Gesangsvereinen über Kleingarten- und Tierzüchtervereine bis hin zu Kegelklubs. Probleme, ihre Mitgliedszahlen stabil zu halten, haben nicht nur die politischen Vereine, auch die karitativen, humanitären, Umwelt- oder Tierschutzvereine stehen vor ähnlich großen Herausforderungen.
Aktiv oder doch nur passiv?
Im Vergleich zur Vergangenheit sind immer mehr Mitglieder aktiv in ihrem Verein tätig. Drei von vier Deutschen, die sich in einem Verein engagieren, sind aktive Mitglieder – im Jahr 2000 waren dies nur zwei Drittel der Befragten. Aktivität wird vor allem im Hobby- und Sportklub groß geschrieben. Aber auch in Selbsthilfegruppen oder im Heimatverein ist die Partizipation hoch und selbst in der Kirche und den politischen Parteien engagiert sich die jeweilige Mehrheit. Lediglich bei Umwelt-, Tier- und Naturschutzvereinen beschränken sich die meisten auf eine passive Mitgliedschaft.
Reinhardt: „Ob nun aktives oder passives Mitglied in einem Verein – gemeinschaftliche Erfahrungen verbinden. Daher sehe ich die Chance, dass Vereine zu einer Art sozialem Kitt in unserer Gesellschaft werden: Bieten sie doch schon heute Angebote für junge wie alte Mitbürger, Einheimische wie Ausländer oder einkommensstarke wie einkommensschwache Deutsche. In einem Verein verfolgen schließlich alle Mitglieder dasselbe Ziel.“