Die Gleitzeit in die Freizeit oder: Das Freizeitritual 

Der Freizeitbrief, 3

1. Mai 1980

(inkl. Grafiken wenn vorhanden)

Die Gleitzeit in die Freizeit oder: Das Freizeitritual

Freizeit ist nicht gleich Freisein, stellte erst kürzlich wieder eine im Auftrag des BAT Freizeit-Forschungsinstituts durchgeführte Befragung von 200 Familien fest.

Mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes beginnt zwar die Freizeit, der Nachhauseweg läutet quasi den Feierabend oder das Wochenende ein. Frei verfügbare Zeit ist damit aber durchaus noch nicht entstanden.

Arbeiten wie Einkaufen, Haushalt, Reparaturen usw. stehen auf dem Plan. Arbeitsähnliche Alltagsverrichtungen mit Verpflichtungscharakter also.

Und schließlich verlangt auch die Familie ihr Recht.

Demzufolge klagen laut Forschungsstudie immerhin 63 % der Befragten über zu wenig Freizeit, die Jüngeren sogar mit 76 %, die Berufstätigen mit 67 %. Nur die Hausfrauen erklären sich mit dem zur Verfügung stehenden Freizeit-Quantum sehr viel häufiger zufrieden.

Als Hauptgründe für das Gefühl, zu wenig Zeit für sich selbst, für Hobbys etc. zu haben, werden Übergangsaktivitäten (Nachhauseweg, duschen, Abendessen, Haushalt usw.) genannt, wobei der „Normalfeierabend“ einem fast standardisierten Ritual unterliegt. Auch am Feierabend bleibt man wie am Arbeitstag im geordneten Trott und untergliedert die „Freizeit“, so daß alle und alles zu seinem Recht kommt.

Die Familie spielt allerdings eine recht ambivalente Rolle, denn einerseits wird das Zusammensein mit ihr genossen, andererseits erzeugt Zwang zu familiärem Kontakt und zur Rücksichtnahme eine Reihe von Problemen.

Haben die Tätigkeiten zwischen Arbeit und „echtem“ Feierabend, familiären Verpflichtungen, Erholung von vergangenem und für den zukünftigen Arbeitstag auch unangenehmen, lästigen Charakter, so zählen sie erlebnismäßig durchaus schon zur Freizeit. Sie sind im Gegensatz zur Berufsarbeit nicht fremdbestimmt. Die Pflichten im Haushalt müssen zwar erfüllt werden, aber der Einzelne ist eher in der Lage, Art, Zeit und Umfang zu bestimmen. Arbeit und Erholung sind leichter austauschbar.

Die Dominanz der Arbeit wird als weiterer wichtiger Grund für die Beeinträchtigung der Freizeit genannt. Die mit der Berufstätigkeit häufig verbundenen Faktoren wie ungünstige, starre Arbeitszeiten und lange Anfahrtswege können die mögliche freie Zeit beschneiden. Besonders der normale Feierabend ist davon betroffen. Hier verbleibt kaum echte Freizeit.

Hinzu kommt der vordergründige Erholungsaspekt des Feierabends. Man ist nicht frei für Neues, Anderes, sondern muß sich entspannen, regenerieren, die Arbeitskraft erhalten, um am nächsten Tag wieder fit zu sein.

Nur selten brechen die Befragten aus dem Alltagstrott aus, weil Freizeit doch eigentlich Freisein heißen sollte. Allzu schnell ruft man sich in die geordnete Welt zurück, ohne Eskapaden, gleicht sich dem stabilen Rhythmus wieder an und begnügt sich mit dem Gefühl, frei zu sein. Die starken Ritualisierungsneigungen des „Normal“-Feierabends werden damit aber noch unterstützt. Der Verlauf ist tendenziell gleichförmig mit wenig flexiblem und variablem Schema.

Wie aus der Untersuchung des BAT Freizeit-Forschungsinstituts hervorgeht, bewegen sich die konkreten Aktivitäten innerhalb sehr enger Bahnen und beziehen sich im wesentlichen auf fernsehen, lesen und dazu etwas trinken. Das Bedürfnis nach Ruhe, Abschalten, also Passivität steht im Vordergrund. Und die meisten fühlen sich eben hierbei durch Familie und Bekannte (28,5 %), Arbeit am Feierabend (11,5 %) oder andere Faktoren wie z.B. den Zwang zur Rücksichtnahme (18,5 %) gestört. Man ist eben viel zu eingespannt um ausspannen zu können.

Das von vielen Befragten erkannte und gewünschte Freizeit-Ideal – Außer-Haus-Aktivitäten, Hobbys, Zeit zur Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung etc. – bleibt dabei oft auf der Strecke.

Amerikanische Lösung Fullern – oder: Schafft die Arbeit ab!

Da sitzt ein Bankdirektor mit sechsstelligem Jahreseinkommen an der Drehbank und fordert seinen „Kollegen“, den Aufsichtsratsvorsitzenden eines großen Automobilkonzerns, auf, doch mit ihm auch noch die Spätschicht zu fahren.

Die Verkäuferin studiert die Aktienkurse, stößt Anteile ab und kauft andere.

Der Fliesenleger entwirft in der Goldschmiede zarte Kettchen und Ringe, formt güldene Kleinodien.

Der Architekt versorgt den Haushalt, bügelt, spült ab und badet die Kinder.

Die Lehrerin dreht ihren Erstlingsfilm und die Hausfrau fertigt in der Tischlerei Schränke, Tische und Stühle.

Eine verdrehte Welt? Oder Träume, die Schäume sind? Mitnichten! Dies ist die Lösung der Freizeitprobleme – und die der Arbeit auch.

Fullern heißt das „Zauberwort“ und gemeint ist damit, daß jeder das tun solle, wozu er Lust habe. Jeder müsse die Möglichkeit haben, sich kreativ zu entfalten, ohne Rücksicht auf Prestige und Verdienst. Das heißt auch, das tun können, was man sich vielleicht als kleiner Junge oder als kleines Mädchen schon immer gewünscht hat: Straßenbahnschaffner z.B. oder Pilot, Mannequin, Filmstar, Erfinder usw.

Daß daraus kein kreatives Chaos entstehen wird, zeigt der Amerikaner Jim Haynes, Propagandist des Architekten, Dichters und Erfinders R. Buckminster Fuller (* 1895). Durch Intelligenz und Technologie könnten, so Haynes, heute z.B. 20 Menschen 1.000 Felder bestellen, wo früher 1.000 Menschen nötig gewesen wären. Das habe Fuller schon vor 50 Jahren erkannt und entsprechend umgesetzt. Heute sei diese Entwicklung durch Rationalisierungen, Computertechniken und Verdrängung des Menschen von seinem Arbeitsplatz noch viel gravierender zu beobachten. Der Mensch kann sich nach Haynes also für das Fullern entscheiden. Wobei Fullern durchaus auch eine Form der Arbeit ist, eine kreative Form.

Arbeit an sich als mühselige und unangenehme Tätigkeit sei antiquiert und deshalb abzuschaffen.

Fullern dagegen mache Spaß und biete die Möglichkeit, es auch nur dann zu tun, wenn man dazu aufgelegt ist. Fullern ist nicht immer die gleiche Tätigkeit, sondern immer die, zu der man gerade Lust hat.

„Der (eigentliche) Unterschied zwischen Arbeit und Fullern ist: Beim Arbeiten fühlt man sich in der Falle, beim Fullern weiß man, daß man jederzeit aufhören kann“, sagt Haynes. Und: durch Studien sei erwiesen, daß ein fullernder Mensch 1.000 Mal mehr arbeitssparende Ideen habe, als ein nur seine Pflicht abdienender Routinier.

Na bitte, dann könnten die restlichen 20 Menschen auf den Feldern auch noch Fullern.

Schafft die Arbeit ab!

Auch das noch: Träumen auf Bestellung

Daß Träume eine Art Verarbeitung des am Tag Erlebten sind, ist gängige Meinung von Psychologen und Psychotherapeuten.

Was aber, wenn der Tag langweilig und gewissermaßen erlebnislos war.

Oder wenn man den ganzen Tag viel Ärger hatte, abends vielleicht Unstimmigkeiten mit der Familie, weil man eben müde und abgespannt, vom Ärger gestreßt ist und schlicht keine Lust mehr hat, sich mit Frau und Kindern zu beschäftigen.

Wenn der Fernsehabend wieder einmal nur fade Unterhaltung oder Serien Krimis ins Wohnzimmer getragen hat.

Und damit in die Träume! Wie gesagt: der Traum ist „nur“ das unterbewußte „Sich-beschäftigen“ mit den Geschehnissen und Gesehenem/Gehörtem des Tages.

Für solche Fälle hat jetzt der englische Schlafforscher Dr. Hearne Abhilfe geschaffen. Eine Traummaschine, die Stromimpulse ins Gehirn sendet, soll dafür sorgen, daß alles, was man sich vor dem Einschlafen wünscht, anschließend im Traum in Erfüllung geht. Träumen auf Bestellung also …

Ihre Ansprechpartnerin

Ayaan Güls
Pressesprecherin

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