Neue BAT-Studie – Der Freizeitalltag von Frauen: Das Klischee ist immer noch die Wirklichkeit
Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit, die auf einer qualitativen Vorstudie mit Gruppendiskussionen und auf einer Repräsentativbefragung von 2.000 Personen ab 14 Jahren basiert, steht die ganz persönliche Lebens- und Freizeitsituation von Hausfrauen und berufstätigen Frauen. Was empfinden Frauen als Freizeit? Wieviel Freizeit haben sie wirklich? Wie wichtig sind Ehe, Familie und Partnerschaft im Freizeitleben? Untersucht wurde außerdem, welchen Einfluß Frauen auf die Freizeitaktivitäten der Familie haben. Und wie sie sich selbst im Verhältnis zu den Männern sehen.
Mehr tun in weniger Zeit
Arbeitszeitverkürzung, mehr Urlaub, weniger Kinder – all das spricht eigentlich für mehr Freizeit. Doch im Vergleich zu den 50er Jahren haben all diese Tendenzen den Frauen nicht mehr freie Zeit gebracht. So müssen auch heute noch fast zwei Drittel der Frauen (62 %) am Samstag Hausarbeiten erledigen – mehr als vor über dreißig Jahren. 1957 waren 56 Prozent am Wochenende mit Waschen, Bügeln und ähnlichem beschäftigt. Die modernen Haushaltshilfen bringen nicht die erhoffte Zeitersparnis. Waschen mit der Maschine ist zwar einfacher, aber dafür wird mehr und häufiger gewaschen.
Früher gab es noch feste Wasch- oder Bügeltage, heute kann und wird vieles mal so eben zwischendurch erledigt. Die Folge: Hausfrauen arbeiten objektiv mehr, haben aber subjektiv das Gefühl, weniger zu schaffen. Die Frauen von heute tun mehr in der gleichen Zeit als ihre Mütter vor dreißig Jahren.
Dies gilt auch für Freizeitunternehmungen. Da der Tag nur 24 Stunden hat, ist in deutschen Haushalten Freizeit-Streß angesagt: Viele Freizeitaktivitäten werden im Fast-food-Stil oder gleichzeitig erledigt. Beim Fernsehen wird gelesen, gegessen oder telefoniert.
Berufstätige Frauen haben am wenigsten Freizeit
Die Bundesbürger haben im Durchschnitt 4,1 Stunden Freizeit am Tag. Hausfrauen verfügen über 12 Minuten mehr als der Durchschnitt, berufstätige Männer müssen mit 18 Minuten weniger auskommen. Berufstätigen Frauen aber bleiben nur knapp 3 Stunden Freizeit am Tag. Diese Frauen klagen daher auch am meisten über zuwenig Freizeit: 60 Prozent von ihnen sind unzufrieden, daß ihnen nur so wenig Zeit bleibt. Bei den Hausfrauen ist es umgekehrt: 58 Prozent sind zufrieden und 19 Prozent klagen sogar über zuviel Freizeit.
Berufstätige Frauen sind darüber hinaus gezwungen, sich ihre Freizeit besonders ökonomisch einzuteilen. So unterscheiden sie zwischen berufsfreier Zeit, die für den Haushalt und eventuelle Kindererziehung gebraucht wird, Familienfreizeit für gemeinsame Unternehmungen und persönlicher Freizeit, die sie ganz für sich verwenden können.
Doch da berufstätige Frauen einerseits ihre knappe Freizeit oft intensiver nutzen, andererseits die meisten Hausfrauen für ihr Leben andere Prioritäten setzen, sind, was ihre Freizeit angeht, berufstätige Frauen nicht glücklicher und Hausfrauen nicht unzufriedener. Bei letzteren stehen Ehe, Kinder, Familie an erster Stelle, bei den berufstätigen Frauen Partnerschaft, Freunde und Beruf. Mit der Berufstätigkeit ändert sich die gesamte Lebensorientierung. Familie und Kinder werden weniger wichtig.
Freizeitindividualismus contra Familie
Bei der Entscheidung für oder gegen Kinder und Familie spielt die Frage der verbleibenden Freizeit eine große Rolle. Die Untersuchung der Hamburger Freizeitforscher zeigt, daß die Orientierung sich von der Familie weg immer mehr zur Freizeit verschiebt, je jünger die Befragten werden. Zwar ist diese Tendenz zum Freizeitegoismus bei den Männern ein wenig stärker ausgeprägt, aber immerhin 70 Prozent aller Singles sind der Meinung, Familienleben lasse ihnen nicht genügend Zeit für ihre Freizeitaktivitäten. Die Zahl der jungen Leute, denen die persönlichen Freizeitinteressen wichtiger sind als Heiraten und eine Familie gründen, nimmt zu.
Der wissenschaftliche Leiter des BAT Freizeit-Forschungsinstituts, Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, faßt den Trend so zusammen: „Wer heute auf Kinder und Familie verzichtet, will sich alle Optionen offenhalten, die eigene Freiheit nicht einschränken und den persönlichen Freizeitgenuß nicht beeinträchtigen lassen“. Opaschowski sieht für die Zukunft die Gefahr einer kinderlosen Freizeitkultur.
In der Freizeit alles beim Alten?
Die Emanzipation der Frauen hat sicher einiges erreicht, doch bis in die Freizeit haben sich ihre Auswirkungen nicht erstreckt. Das zeigt die Studie des BAT Freizeit-Forschungsinstituts mit überraschender Deutlichkeit. Immer noch gibt es typisch männliches und typisch weibliches Freizeitverhalten. Die Befragung macht deutlich: Der Besuch von Sportveranstaltungen ist eine Freizeitdomäne der Männer, der Einkaufsbummel bleibt die Lieblingsbeschäftigung der Frauen. Was das eine Geschlecht vom anderen denkt, in der Freizeit stimmen die Klischees mit der Wirklichkeit überein.
Auch in der Erziehung macht sich nur ein langsamer Wandel bemerkbar. Die Mädchen werden noch am ehesten zur Doppelrolle erzogen, sie sollen ihr traditionelles weibliches Metier beherrschen und traditionelle männliche Kompetenzen erwerben. Eine solche Doppelkompetenz wird von den Jungen bisher weniger gefordert.
Vielseitiges Freizeitmanagement im Haupt- und Nebenberuf
Die Frauen sind die großen Freizeit-Organisatoren. Auch darin hat sich nichts geändert. Die Männer verhalten sich wie Freizeit-Paschas, alles muß an sie herangetragen werden, und sie sind mit ihrer passiven Rolle nicht einmal unzufrieden.
„Innerhalb der Familie bin ich diejenige, die die Anregungen gibt“. Die ständige Anreger-Rolle ist für die Frauen nicht nur anstrengend, sondern auch konfliktreich. Partner- und Kinderwünsche müssen auf einen Nenner gebracht werden und das ständige „Nee“ und „Keine Lust“ kann ganz schön auf die Nerven gehen.
Und auch für die Pflege des gemeinsamen Freundeskreises ist die Frau zumeist allein zuständig. Sozial engagierter sind die Frauen sowieso. Prof. Opaschowski: „Männer mögen sich für die soziale Ehre und soziale Revolutionen zuständig fühlen, die soziale Arbeit überlassen sie den Frauen“.
Toll aber selten: Die neue Frau
Mehr als der Frauen-Alltag hat sich das Bild der Frau in der Öffentlichkeit verändert. Ein Wandel der weiblichen Rolle zeichnet sich ab – wenn auch nur bei Minderheiten. Doch Veränderungen künden sich immer in Minderheiten an. Die überwiegende Mehrheit hält an dem traditionellen Frauenbild fest. Die neue Frau, die Kinder und Karriere und eine ausgeglichene Partnerschaft unter einen Hut bekommt, die mehr nach Selbstverwirklichung als nach Sauberkeit strebt, diese Super-Frau ist sicher kein Spiegelbild der heutigen Wirklichkeit, sondern eher ein idealtypisches Leitbild für die Zukunft.